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Europas Schande

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Die Forderung von Grünen-Chef Robert Habeck, Kinder aus Flüchtlingslagern zu holen, ist tatsächlich ein Gebot der Humanität. Während in der Union abgewiegelt wird, lassen andere Stimmen hoffen.

Peter Van Der Auweraert, Westbalkan-Koordinator der Internationalen Organisation für Migration (IOM), twitterte Mitte Dezember erleichtert: "Vučjak endlich geschlossen (…) Das Ende einer humanitären Katastrophe." Die Zelte in dem provisorischen Lager auf einer ehemaligen Müllhalde zwischen dem bosnischen Bihac und der kroatischen EU-Außengrenze, hatten keinen festen Boden, viele der rund zuletzt 800 BewohnerInnen, darunter auch Kinder, keine festen Schuhe. Jetzt leben sie einer Kaserne in der Nähe von Sarajewo, immerhin.

Ausgabe 442, 18.9.2019

Gestrandet auf der Müllhalde

Von Johanna Henkel-Waidhofer

Würden Tiere in solchen Verhältnissen leben, käme der Tierschutz. Aber es geht um Menschen, die auf einer Müllhalde an Europas Außengrenze zwischen Bosnien und Kroation gestrandet sind. Die Hoffnung treibt sie Abend für Abend ins nächste Elend.

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Alleingelassen fühlen sich die Behörden im drittärmsten Balkanstaat noch immer. Weil den ungezählten Ankündigungen von PolitikerInnen im vergleichsweise kuscheligen Mitteleuropa, (wenigstens) vor Ort zu helfen, zu wenige konkrete Taten folgen. Zu wenig ändert daran auch der Konvoi mit 55 LKW voll Zelten und Decken, die laut Bundesinnenministerium dieser Tage in Griechenland angekommen sind. Gerade im Winter müsste Hilfe, gemessen an den so oft und laut deklamierten europäischen Werten, ganz anders aussehen: Nicht Materialien herankarren, sondern Menschen, vor allem unbegleitete Kinder und Jugendliche, zu uns ins Warme holen.

Seit Habeck vor Weihnachten die schnelle Hilfe für etwa 4000 Kinder als "Gebot der Humanität" verlangte, trennt sich die Spreu vom Weizen. Und wieder einmal fallen vor allem PolitikerInnen auf, die das C im Namen ihr Partei tragen, mit abwiegelnden Ausflüchten. Für den christdemokratischen Bundesinnenstaatssekretär Günter Krings ginge eine Aufnahme von Kindern durch Deutschland sogar "an allen europäischen Rechtsregeln vorbei". Offenbar bemerkt der Jurist nicht, dass er damit bestenfalls einen guten Grund liefert, solche Rechtsregeln schleunigst zu ändern,wenn es sie denn überhaupt gäbe.

Andere UnionspolitikerInnen sind deutlich weiter. Inzwischen bereits 130 Städte und Gemeinden in der Republik haben sich der "Seebrücke“-Bewegung angeschlossen, haben ihr Gemeinwesen per Ratsbeschluss und vielfach mit CDU- oder CSU-Stimmen zu sicheren Häfen erklärt. Sie könnten und würden sofort Kinder und Jugendliche aufnehmen, weil sowohl die Unterbringungs- als auch die Betreuungskapazitäten zur Verfügung stehen. Geschehen kann nichts, weil die Bundesregierung Sonderkontingente nicht genehmigt und die kommunale Ebene ebenso wie die 16 Bundesländer keine Kompetenz in der Flüchtlingspolitik haben. Die "Seebrücke“-Mitglieder wollen sich damit übrigens nicht mehr abfinden und geben bereits einen Ausblick aufs Jahr 2020: "Wir wollen, dass Kommunen eigenständig entscheiden dürfen, Menschen aufzunehmen und planen eine Kampagne zur Veränderung des Paragraphen 23.1 des Aufenthaltsgesetzes."Als ihr Ziel haben sie ausgegeben, "starke, umfassende und schnelle Programme zur Aufnahme von Menschen durchzuführen, ohne Bundesregierung“. Gutes Gelingen.


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1 Kommentar verfügbar

  • Simulacron
    am 03.01.2020
    Antworten
    Waren es nicht die Grünen, die die (Ressourcen-)Kriege in Afrika und im Mittleren Osten als humanitäre Hilfe propagiert haben? Oder ist/war es unsere Regierung, die Waffen in Krisenherde liefert, um den Terrorismus zu globalisieren?
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