Dienstag, 31.3.2020
Heute ist absolut gar nichts passiert. Corona kotzt mich nur noch an. Die Gesamtsituation. Alles. Jaja, wir sind alle privilegiert in Deutschland. Kann ich auch nix für. Nur weil es woanders noch beschissener ist, ist es hier trotzdem nicht geil. Und man kann einfach nix dagegen machen. Ich glaube, wenn Menschen nicht wissen, wo sie sich beschweren können, werden sie irre. Null Selbstwirksamkeit mehr. Dann werden sie Balkonfaschisten. In Spanien wurde eine Frau jetzt mit einer blauen Armbinde versehen, die sie tragen muss, wenn sie mit ihrem autistischen Kind rausgeht, damit es zuhause nicht alles kaputtschlägt. Bevor sie die Armbinde trug, wurde sie von diversen Balkonen runter beleidigt, weil Leute sie für eine Corona-Sau hielten. Armbinde drum und gut. Hat hier ja auch mal funktioniert.
Apropos Armbinde: Laut Verordnung der Landesregierung von Baden-Württemberg vom 17. März gelten die ganzen Einschränkungen bis zum Ablauf des 19. April. Sehe vor meinem inneren Auge Tausende Menschen auf der Straße feiern und sich in den Armen liegen beim Angrillen. Angetüddelt mit Aperol Spritz. An Hitlers Geburtstag. HAHAHA. Da macht Deutschland seit Jahrzehnten supersensitiv einen auf Erinnerungskultur, glotzt jährlich bei Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Nazi-Regimes bedröppelt auf teure Trauerkränze und heimlich auf die Twitter-Timeline, und dann fällt niemandem auf, dass am 20. April Führerparty ist? Einfach nur wow.
Ich will, dass der Quatsch jetzt aufhört. Schon wieder der Gedanke, ob der ganze Affenzirkus vollkommen für den Arsch ist, weil in fünf Jahren klar ist, dass Corona am Ende gar nicht so schlimm war. Aber ja, besser jetzt übertreiben mit der Vorsicht, als den eigenen Opa auf dem Gewissen zu haben. Man schließt ja eine Versicherung auch ab, BEVOR einem jemand die Golfausrüstung klaut und nicht danach. Finde es total verrückt, dass es gerade in der Versicherungshochburg Deutschland, wo ALLE gegen ALLES für viel Geld rundumversichert sind, Menschen gibt, die jetzt den Präventionsgedanken nicht verstehen wollen. Tausend Jahre Geld verbrennen, in der Sorge, dass einem der kleine Zeh im Arsch stecken bleiben könnte, aber bei einem tödlichen Virus Zweifel an der Sinnhaftigkeit von Vorsorge entwickeln.
Mittwoch, 1.4.2020
Bis vor zwei Wochen war ich auf eine perverse Art excited, weil was Krasses abgeht. Jetzt bin ich nur noch genervt. Dabei liebe ich den Eklat. Einer der schönsten TV-Eklats war für mich persönlich immer der Ausraster von Ton-Steine-Scherben-Manager Nikel Pallat. Er saß 1971 in der WDR-Talkshow "Ende offen" und schlug im Zigarettenqualm völlig unvermittelt einen Tisch kaputt. Mit einer Axt, die er offenbar seit zwei Stunden in seinem Jacket versteckt hielt. Er kam einfach nicht mehr klar mit dieser "scheissliberalen" Sendung. "Wenn überhaupt noch was passieren soll, muss man sich gegen den Unterdrücker stellen", hatte er gebrüllt. "Und deshalb mach ich jetzt hier diesen Tisch kaputt." Legendär. Das Geilste an der Aktion war aber eigentlich, dass die Leute am Tisch fast komplett unbeeindruckt von der Nummer waren. Wie kluge Eltern mit schreienden Kinder an der Kasse bei der Quengelware: Wenn die kleine Terrorwurst mit allen Vieren auf den Boden einhämmert, weil sie kein Ü-Ei kriegt, einfach so tun, als gehörte sie nicht zu einem. Keine Aufmerksamkeit, kein Erfolgserlebnis.
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Fritz Schwab
am 09.04.2020