Der Plettenberg, der sich rund 80 Kilometer südwestlich von Stuttgart erhebt, ist einer der Charakterberge der Schwäbischen Alb. Unter den Balinger Bergen ist er mit einer Höhe von knapp 1002 Metern gar der Höchste. Nicht nur die Kulisse zeichnet den Hausberg der Gemeinde Hausen am Tann aus. Er gilt als Refugium für Flora und Fauna. Auf seiner Hochfläche gibt es noch Wacholderheiden, Silber- und Golddisteln und auch die Vogelwelt fühlt sich wohl. 47 verschiedene Arten haben Ornithologen gezählt, darunter 19 streng geschützte von der roten Liste. Zudem lassen sich auf dem Berg viele seltene Schmetterlingsarten beobachten. Nicht zuletzt ist er ein Erholungsgebiet für Menschen, durch das sich zahlreiche Wanderwege ziehen.
Was nur Ortskundige wissen, weil von der im Tal vorbeiführenden Bundesstraße 27 aus nicht zu erkennen: Der Plettenberg gleicht einem hohlen Zahn. Aus der Vogelperspektive lässt sich das riesige Loch überblicken, das mitten in seiner Hochfläche gähnt. Zur Mondlandschaft ausgehöhlt hat den Berg seit Beginn des 20. Jahrhunderts die lokale Zementindustrie, die hier den Rohstoff Kalkstein heraussprengt, und über eine 2,3 Kilometer lange Lorenseilbahn ins 1800 Einwohner zählende Dotternhausen transportiert. Genauer gesagt ins Zementwerk des Baustoffkonzerns Holcim, dessen Öfen, Kamine und Silos auf der westlichen Seite der B 27 stehen.
Der rund 60 Hektar große Steinbruch, dessen drei Abbausohlen bis 60 Meter tief in den Berg reichen, soll weiter wachsen, um den Rohstoff-Hunger des Zementwerks noch bis weit in die Mitte des Jahrhunderts zu stillen. Das Unternehmen des schweizerischen Baustoffkonzerns LafargeHolcim hat im vergangenen Sommer beim Balinger Landratsamt die Süderweiterung des Abbaugebiets um rund 8,8 Hektar beantragt. Seither ist die Welt auf der Zollernalb in Aufruhr.
Bürger und Naturschützer gegen Behörden und Baustoffkonzern
Immer wieder berichtete die Lokalpresse seither von überschrittenen Abbaugrenzen, einer erfundenen Erweiterungsgenehmigung, interpretierbaren Verträgen, falschen Darstellungen und unvollständigen Artenerhebungen in Sachen Steinbruch. Ungereimtheiten fördern auch die aktuellen Kontext-Recherchen zutage, etwa zur tatsächlichen Größe der Steinbrucherweiterung (siehe unten) und dem Vorkommen schützenswerter Arten. Der Streit zwischen Bürgern, Naturschützern und Lokalpolitikern auf der einen und Behörden und Baustoffkonzern auf der anderen Seite, darüber, was auf dem Plettenberg erlaubt und tatsächlich gemacht wird, dürfte weiter eskalieren.
Denn Sprengungen und Schaufelbagger knabbern inzwischen an den nordöstlichen Hangkulissen, die den Anwohnern am Fuß des Bergs bisher den Anblick trister Steinbruchwände ersparten. Und in Zeiten von Schülerdemos für mehr Klimaschutz treibt die Menschen auch der behördlich sanktionierte hohe Schadstoffausstoß des Zementwerks um (<link https: www.kontextwochenzeitung.de wirtschaft dreckige-extrawurst-5806.html external-link-new-window>Kontext berichtete). Landrat Günther-Martin Pauli (CDU) wird sich deshalb entscheiden müssen zwischen industriefreundlichem "Weiter So" und einer mittelfristigen Steinbruchstilllegung, die ökologischen Belangen den Vorrang einräumt.
0 Kommentare verfügbar
Schreiben Sie den ersten Kommentar!