Am Abend des 30. November 2017 erhellt der Schein dutzender Grablichter den Innenhof der kroatisch-katholischen Gemeinde in der Stuttgarter Heusteigstraße. Die in Plastik eingefassten Kerzen sind auf dem Boden vor dem Gemeindezentrum in Form eines Kreuzes angeordnet. An dessen Kopfende ducken sich zwei der Gemeindeseelsorger unter einen Regenschirm. Einer von ihnen spricht leise Gebete. Gemeindemitglieder stimmen murmelnd mit ein. Am unteren Ende des Kreuzes liegt die Fotografie jenes Mannes, dessen Tod Anlass für diese Mahnwache ist: Slobodan Praljak.
Wenige Stunden zuvor hatte sich der bosnisch-kroatische General vor laufenden Kameras im Saal des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag das Leben genommen – nachdem das Gericht ihn letztinstanzlich unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bosnienkrieges verurteilt hatte. Die Bilder des Suizids gingen um die Welt. In Kroatien sorgten sie für einen Aufschrei. Mehrere Vertreter der Staatsspitze, darunter Premier Andrej Plenković, bezeichneten das Urteil als Unrecht, selbstkritische Stimmen wie die des ehemaligen Präsidenten Ivo Josipović gingen eher unter. In zahlreichen Städten in Kroatien und im kroatisch geprägten Teil Bosnien-Herzegowinas fanden noch am selben Abend spontane Gedenkfeiern unter dem inoffiziellen Motto "Held – nicht Kriegsverbrecher" statt.
Auch bei der Andacht an der kroatisch-katholischen Gemeinde in Stuttgart handelte es sich um ein solches Heldengedenken. Auch diese Bilder verbreiten sich schon bald im Netz. Einige Tage später erreichen sie auch die Verantwortlichen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Dort ist man alles andere als angetan.
Das Rundschreiben, das am 5. Dezember 2017 die Leiter und die pastoralen Dienste der kroatischen Gemeinden erreicht, könnte nicht klarer formuliert sein. "Aus gegebenem Anlass möchte ich darauf hinweisen, dass in den Kroatischen Katholischen Gemeinden der Diözese Rottenburg-Stuttgart keine Gedenkfeiern oder Gottesdienste für den vom UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verurteilten Kriegsverbrecher Slobodan Praljak abgehalten werden dürfen", lautet die Anweisung – unterschrieben vom Rottenburger Domkapitular Paul Hildebrand. "Es steht ihnen als im Dienst der Diözese Rottenburg-Stuttgart stehenden Pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht zu, das Urteil des UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag anzuzweifeln", heißt es weiter.
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