Erdal: Auch ich habe mit der HDP Hoffnungen verbunden. Sie hat bei der Wahl 2014 viel mehr als die üblichen sieben Prozent Kurden-Stimmen bekommen, mehr als 13 Prozent. Das waren die, die auf einen demokratischen Aufbruch gehofft hatten. Doch dann ließ Erdoğan eben nochmal wählen, bis es ihm gepasst hat und er hat die Friedensverhandlungen mit den Kurden abgebrochen. Die machen sicher auch Fehler und sind, wie sagt man, auch nicht die hellsten Kerzen auf der Torte.
Özlem: Die Kurden haben auch nationalistische Tendenzen.
Erdal: Ja, aber Erdoğans Botschaft an sie lautet: Wir wollen euch nicht. Kennt ihr den bitteren Witz? Ein Türke und ein Kurde warten auf ihre Hinrichtung. Der Kurde sagt auf die Frage nach seinem letzten Wunsch: Ich will meine Mutter sehen. Der Türke: Ich will, dass der Kurde seine Mutter nicht sieht.
Özlem: Während meiner Schulzeit wurde kein Wort über Kurden verloren und keiner meiner Klassenkameraden hat sich als Kurde zu erkennen gegeben. Ich habe erst an der Uni wahrgenommen, dass es Kurden in der Türkei gibt.
Sie sind alle vor vielen Jahren in Deutschland angekommen. Haben Sie noch einen Fuß in der alten Heimat?
Doruk: Erdoğan hat es geschafft, die türkische Gesellschaft zu segregieren. Auch hier in Deutschland. Ich lebe in meiner kleinen Welt hier mit Leuten, die liberal denken. Es gibt keine Berührungspunkte mit AKP-Anhängern. Ich war sehr idealistisch, als ich nach Deutschland kam, um meine Doktorarbeit zu schreiben. Ich wollte als Akademiker zurück in die Türkei und mein Wissen weitergeben. Seit dem Putsch habe ich diesen Wunsch endgültig aufgegeben.
Özlem: Ich wollte immer in beiden Welten zu Hause sein. Jetzt habe ich gemerkt, dass ich nicht nur halb, sondern ganz in Deutschland ankommen muss. Auf den Straßen sieht man nur noch Erdoğan-Anhänger. Die haben das Gefühl, sie seien die Gewinner sind und dürften alles machen, auch Frauen bedrohen, die ihrer Meinung nach nicht züchtig angezogen sind. Ich sehe heute keine Tür mehr für mich in die Türkei.
Erdal: Ich habe einen deutschen Pass und stehe mit beiden Beinen in Deutschland. Meine Tochter spricht auch Türkisch und ich koche ihr türkisches Essen. Aber mit dieser Türkei habe ich nichts am Hut.
Deniz: Seit Anfang des Jahres chatte ich auf Whatsapp mit meinen ehemaligen Mitschülern. Seit dem Putsch haben sich 18 aus unserer Gruppe verabschiedet und die Themen haben sich verändert. Heute reden wir über Krebs.
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Akra Maldekstra
am 08.08.2016