Wirkliche Verfassungsfreunde können Guido Wolf und Hans-Ulrich Rülke nicht sein. Denn eigentlich müsste die beiden Spitzenkandidaten umtreiben, dass ausgerechnet im reichen Baden-Württemberg der Bildungserfolg vieler Kinder und Jugendlicher noch immer vom elterlichen Geldbeutel abhängt. Als Winfried Kretschmann kürzlich auf die Landesverfassung verwies – "Jeder junge Mensch hat, ohne Rücksicht auf Herkunft oder wirtschaftliche Lage, das Recht auf eine seiner Begabung entsprechende Erziehung und Ausbildung" –, reagierten die beiden gelangweilt, ließen demonstrativ desinteressiert den Wortlaut des Artikels 11 über sich ergehen.
Freunde jener rund 100 000 Kinder, ihrer Eltern und Lehrkräfte im Land, die sich inzwischen der Gemeinschaftsschule verbunden fühlen, sind Wolf und Rülke nicht. Massive Kritik schallt ihnen jetzt vom "Verein für Gemeinschaftsschulen Baden-Württemberg" entgegen, der ihnen vorwirft, beschimpft, verunglimpft und in der Pädagogenehre verletzt worden zu sein. Außerdem werde das in vielen anderen Ländern gängige Reformkonzept diffamiert und verzerrt dargestellt. "Wir sind durch die ständigen Attacken bis ins Mark getroffen", beklagt Matthias Wagner-Uhl, der Rektor der Gemeinschaftsschule im hohenlohischen Neuenstein. Der Kampf insbesondere der CDU habe "Kreuzzugcharakter".
Geschummelt wird schon beim ersten Faktencheck
Tatsächlich blenden Oppositionspolitiker seit Beginn der Legislaturperiode alles aus, was dafür spricht, dass sich bessere und schlechtere Schülerinnen und Schüler gemeinsam zum Wohl möglichst vieler entwickeln können. Schon beim ersten Faktencheck schummelten schwarze Bildungspolitiker, ohne rot zu werden: Parteigliederungen und Basis bekamen eine unvollständige Dokumentation als Diskussionsgrundlage überstellt. Positives war kurzerhand gestrichen: die Freunde, die Kinder im Unterricht haben, die Erfolgserlebnisse beim eigenständigen Lernen, dank individueller Förderung. Dass viele Haupt- oder Werkrealschulen im ländlichen Raum, trotz millionenschwerer Hilfsprogramme der Vorgängerregierungen mangels Schülerinnen und Schülern längst hätten geschlossen werden müssen, passt ebenso wenig ins Weltbild von CDU und FDP wie die Tatsache, dass kleine Schulen unverhältnismäßig teuer und in ihrem Angebot zugleich begrenzt sind.
Zudem geben sämtliche seriösen internationalen Studien dem Lernen in heterogenen Gruppen und Klassen den Vorzug gegenüber früher Selektierung. Die sei völlig willkürlich, sagt der Bildungsforscher Michael Schratz: Baden-Württemberg hat ein dreigliedriges, Österreich aber ein zweigliedriges Schulsystem – einen vernünftigen Grund dafür gibt es nicht. Der Innsbrucker Professor ist Sprecher der Jury des Deutschen Schulpreises. Er versucht, wie vor ihm schon Dutzende Experten, die Bildungspolitiker der Opposition mit Argumenten davon zu überzeugen, dass das Kernstück grün-roter Modernisierungsbestrebungen sinnvoll und geboten ist.
Und Schratz verweist aufs benachbarte Vorarlberg, kaum größer als ein bundesrepublikanischer Landkreis. Seit Langem fühlt sich die Südwest-CDU der in Bregenz dauerregierenden ÖVP besonders verbunden. Die hat jetzt einen parteiübergreifenden Kompromiss auf den Weg gebracht: Um die "am Bodensee angestrebte internationale Leistungsfähigkeit des Schulsystems sicherzustellen", wurde mittelfristig die Einrichtung einer einzigen Schulform für die Klassen fünf bis acht beschlossen.
5 Kommentare verfügbar
someonesdaughter
am 06.03.2016Getroffene Hunde bellen.
Ob aus gespielter Empörung heraus (also wider besseren Wissens) oder aus Unwissenheit spielt dabei keine Rolle."
Unterirdischer Kommentar. Ad hominem, diffamierend, übergriffig.
Passt aber ganz hervorragend zum eifernden 'Kreuzzugsgehabe' – Agitation statt…