Einige Gruppen der Bevölkerung trifft es härter als andere: vor allem Alleinerziehende, junge Erwachsene und Menschen mit Migrationshintergrund ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Und: Armut ist weiblich. Fast die Hälfte aller alleinerziehenden Frauen haben zu wenig Geld, um gut zu leben. Aber auch 26 Prozent der Familien mit drei oder mehr Kindern und 54 Prozent der Erwerbslosen sind betroffen.
Der Bericht ist nicht nur Momentaufnahme, sondern auch Langzeitstudie, die Trends abbildet: Die Armutsgefährdung von Alleinerziehenden beispielsweise ist zwischen 2008 und 2012 gestiegen. Die Zahl der Kinder, die dauerhaft armutsgefährdet sind, stieg in den vergangenen Jahren auf 18 Prozent, die der Rentner auf 17,5 Prozent. Dafür bleiben die Einkommen stabil: Wer bisher wenig verdient hat, der hängt im niederen Einkommenssegment fest, und auch die Einkommensspitzen sind fixiert.
In Teil B des Berichts werden Armutsbiografien beschrieben. Es gibt große Defizite in der Gesundheitsversorgung. Oft fehlt es schon an warmer Kleidung. Kinder werden ausgelacht, wenn sie im Winter mit einer Sommerjacke zur Schule kommen. Aber arme Menschen leiden nicht nur unter der materiellen Mangelsituation, sondern auch darunter, dass sie sich in der Schule, auf Ämtern oder beim Arzt wie Menschen dritter Klasse fühlen. Armut hat auch etwas mit fehlender sozialer Teilhabe zu tun. "Man rutscht allmählich aus den sozialen Bezügen raus", berichtet ein Erwerbsloser. Man traue sich nicht mehr in den Sportverein, weil man sich das gemeinsame Bier nach dem Training nicht mehr leisten kann. In der Schule müsse man nach Unterstützung fragen, wenn es um die Finanzierung des Klassenausflugs geht. Sowohl die Hilf- als auch die Perspektivlosigkeit seien psychisch belastend. Besonders schlimm sei es, dass man oft auch noch die Stigmatisierung aushalten müsse, man sei an dieser Situation ja selber schuld.
Für den Bericht untersucht wurde auch der Reichtum im Land – "Ungleichheitsforschung" nennen das die Sozialwissenschaftler. Nach Standard als reich gilt, wer mehr als das Doppelte des Medianeinkommens zur persönlichen Verfügung hat: Das sind in Baden-Württemberg 3166,60 Euro netto im Monat. Es wurde untersucht, wie viel vom Bruttoeinkommen den einzelnen Einkommensgruppen netto übrig bleibt. Sind die unteren Einkommen noch vergleichsweise gut dran mit 69 Prozent, die vom Brutto bleiben, so gehen bei mittleren Einkommensgruppen bis zu 45 Prozent des Einkommens für Steuern und Abgaben weg. Sehr reiche Leute haben 70 Prozent ihres Verdienstes zur Verfügung.
Langsam wächst die Skepsis
Armutsbekämpfung muss soziale Ungleichheit beachten, also immer auch den Reichtum im Land einbeziehen. Wie, das ist Sache der Politik. Die hatte zur Erstellung des Berichts nicht nur Fachleute, sondern auch Betroffene eingeladen. Sogar ein Landesbeirat für Armutsbekämpfung und -prävention wurde eingerichtet, an dem Wohlfahrtsverbände, Arbeitnehmer, Gewerkschaften und auch die Landesarmutskonferenz (LAK) beteiligt sind. Die LAK versteht sich als politische Stimme armer Menschen.
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