Der Treiber jagt in einer Schicht mehr als tausend Kühe vor sich her in Richtung Milchstand. Zudem hilft er den Melkern, und er schaut teilweise nach frisch geborenen Kälbern. Dementsprechend groß ist sein Zeitdruck. Tiere, die in ihren Liegeboxen nicht aufstehen wollen, werden mit Tritten traktiert oder mit einem kurzen Stock in den Körper gepiekt. Das muss weh tun. Schließlich sind Kühe keine Dickhäuter. Sie spüren sogar Mücken auf ihrem Fell, die sie mit einem Schwanzwedeln zu verscheuchen wissen.
Abhängig vom Treiber werden die Kühe auch mit Elektroschocks traktiert, wenn sie nicht aufstehen wollen oder können. Und bei manchen setzt es Stockhiebe, wenn die Tiere nicht schnell genug in Richtung Melkstand laufen – in ein Melkgefängnis: Sie gehen einen schmalen Gang entlang und biegen dann im 90-Grad-Winkel ab. Hinter ihnen schließt sich ein Brett, die nächste Kuh geht in die nächste Box, in der sie allenfalls minimal vor oder zurück kann.
Melker machen einen Scheißjob
Rund 40 Kühe können gleichzeitig abgefertigt werden. Das ist wie Fließbandarbeit: Sie beginnt mit dem Vormelken. Jedem Strich, wie die Euterzitzen im Fachjargon heißen, werden von Hand drei, vier Spritzer Milch entlockt. In dieser ersten Milch sind viele Keime enthalten, sie wird weggekippt. Dreckige Euter werden mit einem feuchten Tuch abgewischt, wobei das Tuch nur für eine Kuh verwendet werden darf. Damit Keime nicht übertragen werden. Danach werden die Melksonden angesetzt. Manche Kühe treten sie los, sodass sie erneut angesetzt werden müssen – in manchen Fällen, nachdem sie in einen Kuhfladen gefallen waren. Sobald kaum mehr Milch fließt, schalten die Melkmaschinen automatisch ab.
Danach werden die Striche der Kühe mit einer Desinfektionsflüssigkeit gedippt, auf dass sich die Euter nicht entzünden. Die Melksonden werden zudem in ein Bad mit Essigsäure getaucht, um sie zu desinfizieren, ehe die nächste Kuh angeschlossen wird. Lediglich eine Gruppe kranker Kühe, die nicht mit den anderen in Kontakt geraten darf, kommt nicht in diesen Genuss. Sie kommen bald zum Schlachter, das Desinfizieren der Melksonden wird gespart.
All das geschieht im Akkordtempo. Die Melker machen buchstäblich einen Scheißjob. Die Kühe lassen ihre Fladen beim Gang in den Melkstand und beim Melken auf den Betonboden pflatschen. Dazwischen wird gepinkelt, als ob jemand einen Wasserhahn volle Kanne aufgedreht hätte. Wer hier arbeitet, ist bis zum Ende der rund achtstündigen Schicht von Kopf bis Fuß mit Kot und Urin bespritzt. Eine besondere Scheiße: Wenn eine Kuh beim Vormelken oder beim Dippen des Euters plötzlich loskackt. Dann ergießt sich die warme, stinkende Soße über den Arm des Melkers – wenn die Kuh etwas weiter vorne in der Box steht und der Melker folglich weit in den Melkstand hineingreifen muss, hat er die Fäkalien sogar auf der Schulter. Mal eben die juckende Nase am T-Shirt-Ärmel abzuwischen, geht dann nicht mehr.
Die Schutzkleidung besteht wohlgemerkt nur aus einer Schürze, Einweghandschuhen und Armstutzen. Diese Armstutzen haben das Qualitätsniveau eines aufgeschnittenen Gefrierbeutels mit zwei Gummizügen. Sie reichen bis über den Ellenbogen, verrutschen aber leicht. Sie werden tagelang verwendet, bis sie zerrissen sind. Auf dem Hof wird überhaupt massivst gespart. Der Betriebsleiter hebt sogar die Pappverpackungen der Medizinfläschchen auf, um sie auseinanderzufalten und die Innenseite als Notizzettel zu verwenden.
Im Vergleich zu einem Melker geht ein Hilfsarbeiter, der Ställe ausmistet, einem regelrecht sauberen Job nach. Obendrein sind die Melker geistig gefordert. Sie müssen im Blick behalten, welche Kühe gerade im Melkstand stehen. Sie haben einen Zettel mit den Nummern von Tieren, deren Milch für die Kälber in einen Eimer gemolken oder deren Milch untersucht werden muss – auch Milch-Untersuchungen machen Melker teilweise.
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Antonietta
am 01.05.2015