Für die Kinder der Familie Agha in Sindelfingen gab es in diesem Jahr keinen Weihnachtsbaum. Ein paar Zweige aus dem Wald in einer Vase mussten reichen. "Das sieht wie ein Weihnachtsbaum aus", sagt Chaher Agha. Das Geld dafür sollten stattdessen lieber die Verwandten im Kriegsgebiet in Syrien bekommen. Dabei muss die Familie Agha sowieso sparen. Immerhin sind sie jetzt zu acht. Seit April kommt der 46-jährige Ingenieur nicht für seine Frau, seine drei Kinder und sich selbst auf, sondern auch für seine Schwägerin Mani Wazan und deren beide Söhne. Die drei sind aus Syrien nach Deutschland geflohen. Agha hat eine Verpflichtungserklärung unterschrieben und damit den Verwandten Visa für Deutschland ermöglicht. Doch die finanzielle Belastung frisst langsam das Ersparte der Familie auf. So hatte Agha es im Oktober erzählt.
"Es ist einigermaßen besser geworden", sagt er nun. Der Landkreis Böblingen habe sich bereit erklärt, im medizinischen Notfall für die Behandlung von Mani Wazan und ihren Kindern aufzukommen. Dies hatte allerdings bereits das Innenministerium im Oktober vorsichtig signalisiert. Das Problem ist, dass die gesetzlichen Krankenkassen diese syrischen Flüchtlinge nicht aufnehmen. Die privaten Krankenkassen kosten dagegen Hunderte Euro im Monat. Die Familie ist über das baden-württembergische Sonderkontingent für syrische Flüchtlinge aufgenommen worden. Der Südwesten hatte damit 1000 Menschen die Einreise ermöglicht – wenn sie bei ihren Verwandten leben. Dafür dürfen sie im Gegensatz zu Asylbewerbern sofort arbeiten.
"Finanziell sieht es beschissen aus"
Durch den Kontext-Bericht hat Agha allerdings auch den Tipp für eine private Krankenversicherung bekommen, die statt 700 Euro nur 190 Euro monatlich kosten soll. Außerdem hat eine Software-Entwicklerin aus Sindelfingen der Familie 250 Euro gespendet. Aktuell überlegt sich die Frau, einen Dauerauftrag für die Familie einzurichten. "Das würde richtig helfen", sagt Agha. Dann wäre zumindest die Krankenversicherung bezahlt. Darüber hinaus zahlt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Deutschkurs von Mani Wazan. Statt 180 Euro sind es nun für die Familie nur noch fünf Euro.
Grundsätzlich sagt Agha allerdings: "Finanziell sieht es beschissen aus." Seine Schwägerin hat bisher keinen Job gefunden. Zwei Mal hat sie als Putzhilfe probegearbeitet. Die Auftraggeber seien immer zufrieden gewesen, sagt Agha. Allerdings sei sie einmal wegen der fehlenden Sprachkenntnisse abgelehnt worden – und einmal, weil sie ihr Kopftuch nicht abnehmen wollte. Die 41-jährige Muslima spricht als Französischlehrerin neben Arabisch zwar Französisch, aber kein Englisch und bisher nur wenig Deutsch.
Agha selbst hätte die Möglichkeit gehabt, einen Zweitjob an einer Tankstelle anzunehmen. Allerdings muss er beruflich regelmäßig ins Ausland, im Januar beispielsweise nach Schweden – was eine Nebentätigkeit schwierig macht. Seine Frau will vorerst weiter lieber ehrenamtlich mit Flüchtlingskindern arbeiten und ihr eigenes Deutsch verbessern.
"Im Moment habe ich alles probiert", sagt Agha. Er überlegt, ob er doch noch ein Visum für den Ehemann seiner Schwägerin beantragen soll. Eigentlich hätte Agha kein Geld für seinen Unterhalt. Aber er glaubt, dass er als Mann leichter einen Job als Hilfsarbeiter bekommen würde als seine Schwägerin.
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Tillupp
am 31.12.2014