Ob Fast Food, Hip-Hop oder Coffee-to-go: Viele Trends aus Übersee schwappen bekanntermaßen mit ein paar Jahren Zeitverzögerung hinüber nach Deutschland. Was den rechtsautoritär-faschistoiden Staatsumbau angeht, der sich gerade mit atemberaubender Geschwindigkeit im Land der Freiheit vollzieht, rät die Kontext-Redaktion von einer Nachahmung ab. Auch wenn der nicht gewählte Institutionenzersäger Elon Musk nach wenigen Wochen aus dem Weißen Haus geworfen wurde, gibt es ja noch weitere Vollstrecker des sogenannten "Project 2025": Ein Masterplan aus der Feder der nationalistisch-libertären Denkfabrik Heritage Foundation, der seine Absichten, die Gewaltenteilung zu demontieren, schon 2023 transparent machte, also einige Monate vor der zweiten Wahl von Donald Trump.
Das Kapitel über den Umbau der Medienanstalt Federal Communications Commission (FCC) hat Brendan Carr verfasst. Inzwischen ist er ihr Chef. Und weil die großen Sender im Land ihre Lizenzen gerne behalten würden, zahlen ABC, Disney oder Paramount Millionensummen, um sich nach absurden Verleumdungsklagen auf Vergleiche zu einigen oder stellen Formate ein, die frech genug waren, den Präsidenten zu kritisieren. Einen wohltuenden Mittelfinger reckte da die jüngste South-Park-Folge empor, die Trump im Bett mit dem Teufel zeigt – allen, die Witze über seinen winzigen Penis machen, droht der Präsident darin milliardenschwere Klagen an. Ob und wann es dazu wohl wirklich kommt? Es wäre Ironie in Formvollendung, wenn die vielleicht beleidigendste Serie aller Zeiten der anti-woken Cancel Culture zum Opfer fällt.
Weniger aufmüpfig als die South-Park-Macher:innen zeigte sich die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU), die nach Abschluss des sehr einseitigen Zoll-Deals mit den USA beim Handschlag mit Trump noch freundlich fürs Foto lächelt. Ihr Parteifreund, der Politiker und Lobbyist Günther Oettinger, hatte kurz zuvor auf dem baden-württembergischen Unternehmertag für eine EU plädiert, die stärker auftreten müsse, wenn sie gegenüber China und den USA bestehen will. Hat in der Praxis eher mittelgut geklappt.
Schuld sind immer die anderen
Über die "Zollpolitik des Herrn Trump" ärgert sich auch der Immobilien-Unternehmer Christoph Gröner, dessen Firmen-Imperium mal wieder von Insolvenzverfahren heimgesucht wird. Die Zölle seien nämlich schuld, dass Investoren abgesprungen sind und darum stünden nun die Bauarbeiten still. Kontext-Autor Florian Kaufmann berichtet allerdings schon seit Jahren über Ungereimtheiten im Grönerschen Firmengeflecht. Beschäftigt waren dort übrigens zwei bekannte CDU-Politiker: Ronald Pofalla, der frühere Vorstand für Infrastruktur bei der maroden Deutschen Bahn. Und – wo steckt er nicht drin? – Günther Oettinger.
Um Ablenkung bemüht hat unser Kolumnist Cornelius W. M. Oettle dem Fernsehen nach siebenjähriger Abstinenz noch mal eine Chance gegeben und sich ein neues Gerät zugelegt – das reden kann. Und zuhören. "Ziemlich genau so habe ich mir als Jugendlicher den 'Teleschirm' in George Orwells '1984' vorgestellt", schreibt er. Der Unterschied zu dem dystopischen Roman bestehe allerdings darin, dass uns der Überwachungskram nicht aufgezwungen werden müsse, sondern wir freiwillig dafür bezahlen. Dabei seien die US-Tech-Konzerne so übel wie die Regierung, der sie verpflichtet sind.
Die CDU und die Palantir-Software
Peter Thiel ist ein wandelndes Beispiel: ein rechtslibertärer Techmilliardär und Trump-Supporter, der dem Vorstand der US-Firma Palantir vorsitzt, die Überwachungssoftware anbietet. Kürzlich hat Baden-Württemberg einen Deal ausgehandelt (Kontext berichtete). Wobei: Genau genommen geschah das ohne Abstimmung im Landtag und offenbar ohne Kenntnis der Grünen und des CDU-Innenministers Thomas Strobl hat CDU-Staatssekretär Thomas Blenke einen Vertrag über 25 Millionen Euro ausgehandelt, damit die Polizei die Palantir-Software Gotham einsetzen kann. Damit das legal ist, muss noch das Gesetz geändert werden – aber die Grünen haben sich nach anfänglichem Murren bereit erklärt, mitzumachen. Allerdings nur unter Auflagen: So soll beim Datenschutz nachgeschärft werden. Und wenn die Software zum Einsatz kommt, muss darüber im Parlamentarischen Kontrollgremium des Landtags berichtet werden. Zudem handle es sich, wie Innenminister Strobl am Dienstag ausführte, um eine befristete Nutzung: In fünf Jahren solle dann die US-Software durch eine europäische ersetzt werden. Ein Wort der Selbstkritik war in dem Redeschwall des Ministers nicht zu vernehmen, auch keine Entschuldigung für den Vorgang – stattdessen Eigenlob: "Diese Landesregierung steht für Handlungsfähigkeit und Pragmatismus."
Daumen hoch für Daniel Born
Daneben hat ein weiterer Eklat im baden-württembergischen Parlament bewiesen, dass Rücktritte in der Politik prinzipiell noch möglich sind: Er war der beste der drei Sitzungsleiter:innen im Landtag, souverän, schlagfertig, witzig an der richtigen Stelle, die AfD konsequent in ihre Schranken weisend. Genau diesen Bogen hat Daniel Born (SPD) am vergangenen Donnerstag überspannt und auf einem Stimmzettel den Namen des AfD-Abgeordneten Bernhard Eisenhut mit einem Hakenkreuz versehen. Unverzeihlich und deshalb wäre er zumindest seinen Posten als Landtagsvizepräsident losgeworden, wäre die Aktion seriös aufgearbeitet worden. Tatsächlich warfen die grüne Landtagspräsidentin Muhterem Aras und in der Folge SPD-Fraktionsvize Sascha Binder sowie FDP und Grüne, sekundiert durch Teile der Medien, eine beispiellose Empörungsmaschinerie an.
Weitgehend unter geht, dass Born sich tags drauf selber als Urheber outet, obwohl er mit größter Wahrscheinlichkeit niemals entdeckt worden wäre. Unter geht ebenso, dass und wie die AfD-Abgeordneten in jede Rede nach herkömmlichen Maßstäben Unsagbares packen und die jeweiligen Sitzungsleiter:innen kaum Mittel und Wege finden, weil Rügen rechtsaußen wie Orden in Empfang genommen werden. Eine der ganz wenigen Borns' Vor- und Vergehen einordnenden Äußerungen bleibt Ministerpräsident Winfried Kretschmann vorbehalten. Denn der würdigt, wie der Sozialdemokrat vom Parlament Schaden abgewendet hat durch sein Eingeständnis und denselben jetzt allein trägt. Von seinen Parteiämtern tritt er nun zurück und verzichtet auf seine Kandidatur zur Landtagswahl 2026.
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