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Hart und dürftig

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Die Zeiten werden härter, der Druck von oben auf unten steigt. Seien es Friedrich Merz (Bundeskanzler, CDU) und Konsorten, die meinen, mehr Repressionen für Bürgergeldempfänger:innen würden den Arbeitsmarkt verbessern. Oder sei es die gesamte CDU/CSU/SPD-Bundesregierung, der Integration von Geflüchteten und damit eine bessere Gesellschaft egal sind. Lieber rennen sie der AfD hinterher und verbieten Familiennachzug – und das selbst in Härtefällen, wie Johanna Henkel-Waidhofer schreibt. Oder seien es die Arbeitgeber, die immer weniger auf die einst berühmte Sozialpartnerschaft setzen. Seit VW vor knapp zwei Jahren seinen Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung gekündigt hat – was bis dato unvorstellbar war – scheinen die Dämme gebrochen. Industrieunternehmen wie Bosch kündigen an, großflächig Arbeitsplätze zu streichen – nicht wegen ausbleibender Gewinne, sondern um die Gewinne im Niedriglohn-Ausland zu steigern. Von Verantwortung für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die Städte und Gemeinden, in denen sie produzieren und die ihnen jahrzehntelang die Infrastruktur bezahlt haben, ist nix mehr zu spüren. Beschäftigte sind vor allem eines: zu teuer. Und dann wollen die auch noch dauernd mehr Geld! Nur weil die Inflation in den vergangenen Jahren gestiegen ist, die Mieten auch (an dieser Stelle ein dickes Dankeschön im Namen der Immobilienwirtschaft an CDU/CSU, SPD und FDP) und die Leute trotzdem noch meinen, sie sollten von ihrem Gehalt in den Urlaub fahren, die Klassenreise der Kinder bezahlen und ab und an ins Kino gehen können.

Dass haben sich vergangene Woche auch die Arbeiterinnen und Arbeiter von Lieken Urkorn in Crailsheim gedacht und 24 Stunden lang gestreikt. Daraufhin sperrte die Industriebrotfirma alle 222 Beschäftigten von Samstagfrüh bis Sonntagmittag aus. Aussperrung ist das wohl härteste Mittel der Arbeitgeber im Tarifkampf und wird nach langer Pause seit einigen Jahren wieder häufiger benutzt. So sollen Beschäftigte mürbe gemacht werden. "Ein starkes Stück" sei das und ein "Bruch der Tarifpartnerschaft", sagt Alexander Münchow, Landessekretär der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Nächste Woche Dienstag wird wieder verhandelt. Mit dem bisherigen Vorschlag der Arbeitgeber würde man im teuren Baden-Württemberg weniger verdienen als im Osten der Republik.

Endlich einen Tarifabschluss erreicht haben die Tageszeitungsredakteur:innen. 10,5 Prozent mehr soll es geben, über drei Jahre gestreckt. Lange hatte man verhandelt, bewegt haben sich die Zeitungsverleger erst, nachdem 34 Redaktionen in der vorigen Woche gestreikt haben. Manche Leser:innen haben vielleicht gemerkt, dass in ihrer Tageszeitung mehrere Tage lang viel Platz mit ganzseitigen Eigenanzeigen belegt worden und der Inhalt extrem dürftig ausgefallen war.

CSD ohne CDU

Inhaltlich dürftig ist auch die Erklärung der Stuttgarter CDU, warum sie am kommenden Samstag nicht am CSD in der Landeshauptstadt teilnimmt – nachdem sie mehrere Jahre lang dabei gewesen war. Ein Wagen auf dem CSD koste 10.000 Euro, und so viel Geld hätten sie nicht, lässt sich Alexander Kotz, Fraktionsvorsitzender der CDU im Gemeinderat, zitieren. Das überrascht angesichts der großzügigen Spenden aus der Wirtschaft an seine Partei – in diesem Jahr mussten schon mehr als eine Million Euro angezeigt werden. Nicht mal für ordentliches Schuhwerk scheint das zu reichen, denn kostenlos zu Fuß am CSD teilnehmen, so wie es die Grünen machen, lehnen die Schwarzen ab. Meine Güte, ist das doof. Es sind ja nicht nur die großen Katastrophen, sondern auch die kleineren Ärgernisse wie diese CDU-Provinzposse, die einen mürbe machen.

Sommer, Sonne, Sommerserie!

Aber: Kontext hält dagegen! Mit unserer Sommerserie hoffen wir auf gehobene Unterhaltung unserer Leser:innenschaft. Die Anfrage an unsere Kolleg:innen, worüber sie abseits des Alltäglichen immer schon mal schreiben wollten, stieß auf freudiges Interesse. Und so geht es in dieser Ausgabe los mit einer Geschichte über den Don, der in Mexiko-City das Tor zu einer Straße bewacht. Moritz Osswald, viele Jahre freier Journalist in Mexiko, hat ihn – nun, kennengerlernt ist der falsche Ausdruck – er hat ihn erlebt, nachzulesen hier. Bis Mitte September können Sie sich freuen auf sommerliche Geschichten über den Zufall, eine Flohmarktpostkarte, über Sylt, das Videospiel Counter-Strike und einiges mehr. Hoffentlich gefällt’s.

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