Am vergangenen Dienstagvormittag wollte man nicht in Friedrich Merz' Haut stecken – also noch weniger als ohnehin. Als bislang einziger designierter Bundeskanzler in der Geschichte der Republik erhielt der CDU-Chef im ersten Wahlgang nicht die nötige Mehrheit im Bundestag. Eine Blamage für den Sauerländer. Wer trägt die Schuld? Der Sozialdemokrat Ralf Stegner ist sich sicher: Seine Fraktion habe bei der geheimen Wahl geschlossen für Merz gestimmt. Hat also Merz Verräter in den eigenen Reihen? Am Ende aber dann doch weißer Rauch über dem Bundestag: Im zweiten Wahlgang kamen genug Stimmen zusammen. Fest steht dennoch: Mit einem derart schwachen Start ist bislang noch niemand ins Kanzleramt eingezogen.
Ursprünglich war Merz ja mit dem Ziel angetreten, die Wahlergebnisse der AfD zu halbieren. Hat bislang eher nicht geklappt. Dass die Partei eine antidemokratische ist, hat nun sogar Brief und Siegel vom Verfassungsschutz: Am Freitag stufte dieser die Gesamtpartei als gesichert rechtsextremistisch ein. Ein Bundestagsabgeordneter zieht direkt Konsequenzen: Der Reutlinger Sieghard Knodel verlässt die AfD-Fraktion und Partei. Er müsse sein berufliches und privates Umfeld schützen, gehe aber nur "sehr ungern", wie er betont. Der AfD-Landesverband im Südwesten gilt überdies weiterhin nur als rechtsextremistischer Verdachtsfall, wie eine Anfrage der "Südwest Presse" an das Landesamt für Verfassungsschutz ergab. Und die Medien reagierten nach der Einstufung erstmal so, wie sie es gewohnt sind: die Rechtsextremen in Talkshows einladen. Noch am selben Abend durfte Parteichef Tino Chrupalla in der ARD über Rechtsextremismus sprechen.
Stuttgarter Wanderkessel
Am Tag, bevor der Verfassungsschutz der AfD gesicherten Rechtsextremismus bescheinigte, gehörten die Straßen den Menschen am anderen Ende des politischen Spektrums: 1. Mai, Arbeitskampftag. In Stuttgart war die Anspannung groß: Würden dieses Jahr erneut "Chaoten" den Tag "kapern", wie ein Autor im Stuttgarter Pressehaus fürchtete? In den beiden vergangenen Jahren konnte die "revolutionäre" Demo nämlich nicht wie geplant marschieren, es kam zu Auseinandersetzungen zwischen Linken und Polizei.
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