Hach ja, wo die Liebe fürs Leben eher Rarität als Regelfall ist, die Hochzeitsglocken für manch eine Patchwork-Familie zum vierten oder fünften Mal läuten – da lässt auch die Bindung an Parteien nach. Keine Treue mehr bis in den Tod, mitunter ist schneller Schluss als bei Lothar Matthäus. So zählten Lars Mennenga und Stefan Luitjens im vergangenen Jahr zu den Gründungsmitgliedern vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), wechselten im Gemeinderat von Emden, Niedersachsen, von der Linken zur neuen Partei. Und nun, wo die neue Partei um den Einzug in den Bundestag bangt und die alte im Aufwind ist, erfolgt die nächste Rochade, nämlich zurück zur Linken.
Das mögliche Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde befördert taktisches Verhalten bei der Wahl. Und da die Regelung, je nach aktuellem Stand der Demoskopie, bis zu ein Viertel aller abgegebenen Stimmen entwerten könnte, stellt sich die Frage, wie verhältnismäßig das eigentlich ist in einer Demokratie – zumal Kontext-Autor Hermann G. Abmayr daran erinnert, dass das Ermächtigungsgesetz im Reichstag von 1933 auch ohne Kleinparteien die nötige Zweidrittelmehrheit erhalten hätte. Dass die Fünf-Prozent-Hürde das Erstarken faschistischer Kräfte behindere, erscheint fragwürdig. Denn die AfD profitiert gegenwärtig von der Sperrklausel und bekommt dadurch mehr Sitze im Parlament als es ihrem Stimmenanteil entspricht.
Indessen beruft sich auch CDU-Mann Thorsten Frei auf die Weimarer Republik und gibt die Losung aus: "Die große Lehre der Dreißigerjahre ist, dass demokratische Führung entschlossener sein muss als die autoritären und totalitären Alternativen." Frei meint damit, dass Rote und Grüne gefälligst CDU-Vorhaben zustimmen sollen, bevor sich die Konservativen Mehrheiten mit der autoritären Alternative beschaffen. Im Gegensatz zu denen, die ihre Partei wechseln wie andere die Unterhose, gibt es für Frei zwar seit Jahrzehnten nur die Union – das Amt des Oberbürgermeisters, das er einmal als Lebensaufgabe bezeichnete, hat er allerdings aufgegeben, sobald sich für den ehemaligen Rathauschef von Donaueschingen die Möglichkeit zum Sprung in den Bundestag eröffnete. Nur vier Wochen nach seiner Wiederwahl.
Doch ein Wortbruch ist heute längst kein Rücktrittsgrund mehr und so bleibt die Kontext-Redaktion skeptisch, was die Versprechen angeht, wer nach der Wahl auf keinen Fall mit wem zusammenarbeiten wird. Um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein, tragen wir daher objektiv, neutral und ausgewogen unsere drei Kernforderungen an die neue Regierung heran, unabhängig davon, wie sie sich am Ende zusammensetzt:
1. Rekordverschuldung. Was die FDP sagt, das muss falsch sein, deswegen heißt die Devise: Schuldenturbo statt Schuldenbremse. Inflation wird über das Preisbegrenzungsgesetz verboten und unter Strafe gestellt.
2. Besetzungspflicht für Leerstand. Freie Wohnungen müssen binnen zwei Wochen vermietet werden, sonst greift ein verschärftes Zweckentfremdungsverbot: Kommunen sind verpflichtet, den Leerstand besetzen zu lassen. Wenn sich keine Freiwilligen melden, entscheidet das Los.
3. Enteignung der Hohenzollern. Zur Finanzierung der Regierungsgeschicke wird der einstige Adel zur Kasse gebeten. Damit keine Entschädigung fällig wird, ändern wir das Grundgesetz.
Bis kommenden Sonntag, 17:59 Uhr, nehmen wir weitere Vorschläge entgegen. Danach werden wir – ja was? Uns auf den nächsten Wahlkampf vorbereiten, den im Land. Wir freuen uns schon auf Duelle, Trielle und Quadrelle, in denen die Südwest-Parteigranden (Frauen werden wohl nicht dabei sein) darüber reden, wie sie die Autoindustrie retten, wen sie wann zur Eröffnung von Stuttgart 21 einladen wollen und ob die FDP nicht auch in ihrem Stammländle mal eine Pause bräuchte. Ums Soziale wird's bestimmt wieder nicht gehen.
Halten Sie gut durch am Sonntagabend!
Dem Pazifismus eine Stimme
Geradezu antizyklisch meldet sich die Initiative "Aufbruch zum Frieden" wieder zu Wort. Unter der Moderation von Minister Winfried Hermann (Grüne) soll über die Zukunft der Nato und die Rolle Europas und Deutschlands vor dem Hintergrund einer sich bedrohlich ändernden Weltlage diskutiert werden. Referieren wird Oberst a. D. Wolfgang Richter, der als leitender Militärberater bei Nato und UN sowie der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gearbeitet hat. Ein Schwerpunkt bei der Veranstaltung am Dienstag, 25. Februar um 19 Uhr im Stuttgarter DGB-Haus wird die geplante Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland sein.
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