Die gute Nachricht zuerst: In Baden-Württemberg wird das Wasser noch nicht jetzt knapp. Puh, grad' nochmal davongekommen. Obwohl: Bei genauer Betrachtung ist das auch nur eine halb gute Nachricht. Denn seit Beginn der regelmäßigen Wetteraufzeichnungen 1881 hat sich die Jahresdurchschnittstemperatur im Südwesten um 1,4 Grad erhöht. Und deswegen haben wir dieser Kontext-Ausgabe einen kleinen Klimaschwerpunkt spendiert – passend zum taz-lab-Kongress mit dem Titel "Klima und Klasse", der am kommenden Samstag im Hybridformat steigen wird.
Wo die Weltlage doch offensichtlich zum schleunigsten Handeln drängt, hat sich Baden-Württembergs Justiz zuletzt nicht mit Ruhm bekleckert: An der Hochschule Ravensburg-Weingarten ist ein Informatikprofessor mit zwei Co-Kletternden auf eine Trauerweide gestiegen, um auf die Energieverschwendung an seiner Hochschule hinzuweisen. Nichtgenehmigte Versammlung, urteilte ein Gericht, Folge: 4.000 Euro Strafe für den Prof. Alles hat eben seinen Preis.
In Weilheim an der Teck übrigens wird jetzt grüne Wiese zu Bauland. Vor einiger Zeit haben wir über die Pläne, dort eine Fabrik für Wasserstoffantrieb zu errichten, berichtet. Nun haben die BürgerInnen darüber abgestimmt, eine klare Mehrheit fand: her mit der Firma. Zugegeben, eine steile These, aber: Wäre die Forschung schon weiter, könnte diese Fabrik vielleicht sogar aus Geopolymeren gebaut werden. Diese sollen, so die Idee, eines Tages den Klimakiller Beton ersetzen. Eine Ausstellung im Stuttgarter Hospitalhof zeigt derzeit, wie diese Materialen entstehen könnten, wie sie aussehen und sich anfühlen.
Derzeit eher ungut fühlt sich das gesellschaftliche Klima an. Ein möglicher Grund: Sind wir uns wirklich so einig über die neue Kriegslogik, die sich seit Beginn des Ukraine-Kriegs massiv durch die deutsche Berichterstattung zieht? Sind wir wirklich damit einverstanden, dass Kritik an Waffenexporten und Aufrüstungsplänen sofort laut-empörtes Gebrüll nach sich zieht? "Über die mutige Berichterstattung aus Kriegsgebieten vom heimischen Schreibtisch aus zu beckmessern, das verbietet sich", meint unsere Autorin. Dringend notwendig sei aber, "die schräge Tonlage zu beurteilen, die sich in Deutschland durch allzu viele mediale Kommentare, vor allem durch Interviews und Diskussionsrunden zieht."
Freiheit für die Presse – und für Assange
Schräg ist gar kein Ausdruck für das, was seit Jahren mit Julian Assange geschieht. Weil der Gründer der Whistleblower-Plattform Wikileaks Details über Kriegsverbrechen des US-Militärs im Irak und in Afghanistan enthüllt hatte, ist er seit Jahren in britischer Haft, ihm droht die Auslieferung in die USA. Die rückt näher: Nachdem die britische Justiz die Auslieferung am 20. April genehmigt hat, muss nun noch Innenministerin Priti Patel zustimmen. Zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am kommenden Dienstag, dem 3. Mai veranstaltet daher das Aktionsbündnis "Freiheit für Assange" eine große Kundgebung auf dem Stuttgarter Marktplatz, um gegen die drohende Auslieferung zu protestieren – "Journalismus ist kein Verbrechen" heißt das Motto. Um 17 Uhr geht's los.
Neues von Palmer
Zum Schluss dieses Editorials noch etwas aus der Rubrik Boris Palmer. Mehrfach haben wir in der Vergangenheit über ihn, seine große Klappe, sein Amt und den dräuenden Parteiausschluss berichtet. Nun hat sich der Landesvorstand der Grünen mit Palmer darauf verständigt, dass der eigenwillige Oberbürgermeister seine Parteimitgliedschaft vorerst wird ruhen lassen, er ist nun gewissermaßen in Probezeit. Mal sehen, ob der Kompromiss das Zeug zur goldenen Brücke hat, denn hinter den Kulissen wurde mit harten Bandagen gekämpft. Der Landesvorstand hatte am Ostersamstagabend kurz vor knapp ein Argument nachreichen lassen, das den in wenigen Tagen 50-Jährigen mit großer Wahrscheinlichkeit sein Parteibuch gekostet hätte: Palmer wollte, jedenfalls bis zur Schiedsgerichtsverhandlung am vergangenen Samstag, bei der OB-Wahl im Herbst als Grüner gegen die offiziell nominierte Grünen-Kandidatin Ulrike Baumgärtner antreten (Kontext berichtete).
Nach der Schiedsgerichtssprechung der vergangenen Jahrzehnte gilt eine solche Kandidatur aber parteiübergreifend als Ausschlussgrund. Vom Ende her gedacht, hat die Drohung gewirkt, denn der Provokateur willigte in die Vereinbarung ein. Wie nun gemeinsam mit dem Landesvorstand Wege gefunden werden sollen, die es Palmer ermöglichen, "zukünftig kontroverse innerparteiliche Meinungen" äußern zu können "unter Beachtung der Grundsätze und Ordnung der Partei", das steht in den Sternen. Denn übersetzt heißt das so viel wie: Finger weg von den sozialen und den klassischen Medien und erst einmal nicht öffentlich, sondern nur innerparteilich den Kropf leeren. Genau das wollte Palmer bisher aber ganz bestimmt nicht.
0 Kommentare verfügbar
Schreiben Sie den ersten Kommentar!