Um Missverständnissen vorzubeugen: Wer feststellt, dass ein Polizeipräsident das Wort "Stammbaumrecherche" nicht in den Mund genommen hat, spricht ihn nicht frei. Auch Kontext nicht. Dazu gibt es zu viele offene Fragen und genügend Gründe, um genau zu prüfen, wie das "rassistische Gedankengut" bei der Polizei praktisch wird. Das gilt gerade jetzt, wenn es um die Ermittlungen rund um den Eckensee geht, wenn es bei der Strafverfolgung offenbar doch einen Unterschied macht, ob jemand aus Balingen oder Afghanistan kommt. Dies kritisch zu beobachten bleibt unsere Aufgabe – und schließt den Blick aufs eigene Gelände mit ein. Wenn hier Fehler gemacht werden, Stichwort "Der falsche Stammbaum im Pressehaus", dann müssen sie benannt werden: als Desinformation, die eine seriöse Debatte nicht zulässt. Und weil das so ist, widmen wir uns in dieser Ausgabe der medialen Randale.
Von Waldorfschüler schwer gekränkt?
Andere Baustelle, andere Sensibilität. Mit seinem Debattenbeitrag "Wir können alles außer Impfen" hat Dietrich Krauß in ein Wespennest gestochen. Die Zahl der Kommentare strebte bei Redaktionsschluss auf die Achtzigermarke zu, seit einer Woche kämpfen Befürworter und Kritiker der Anthroposophie erbittert um die Deutungshoheit. Was war passiert? Die Suche nach Erklärungen für die hohe Anzahl von sogenannten Querdenkern und Impfgegnern gerade in Baden-Württemberg hatte unseren Autor auch zu den Anthroposophen und ihrem Gründungsvater Rudolf Steiner geführt, dessen Schriften er sich ausführlich vornahm. "Das Kind mit dem Bade ausgeschüttet", "gnadenlos", "könnte von Nachdenkseiten-Autor Jens Berger stammen", ärgerten sich die einen. "Erhellend", "danke für die Aufklärung", "Chapeau – das zieht der ach so liebenswerten Anthroposophie die esoterische Maske vom Gesicht", freuten sich die anderen. Und mancher machte sich Sorgen, dass der Autor als kleiner Bub von einem Waldorfschüler wohl schwer gekränkt worden sein muss. Die Lager stehen sich unversöhnlich gegenüber.
Und auch S-21-Kritiker sind in der Steiner-Frage gespalten. Karl-Dieter Bodack, Mitbegründer des Bündnisses Bürgerbahn statt Börsenbahn, Mitglied der Schlichtung zu Stuttgart 21, sieht in dem Kontext-Artikel ein "Meisterwerk der Diffamierung". Helga Stöhr-Strauch hingegen, Mitbegründerin der Montagsdemos, freut sich über ein Stück Aufklärung, weil sie sich beim Weltenversteher Steiner schon immer im falschen Film gefühlt hat. Wir empfehlen: in Ruhe und bis zum Schluss lesen. Mancher Kommentar hätte sich dann schon erledigt. Etwa der grimmig gemeinte Vorschlag, unseren Autor – nach dem "großen Politvirologen Drosten" – für den Grimme-Preis vorzuschlagen. Den hat er schon.
Wir haben uns gefreut über die oft fachlich fundierte, jedenfalls immer engagierte Debatte. "Ich finde, die Plattform Kontext sollte man für ernsthafte Diskussionen nutzen", meinte ein Kommentator. Finden wir auch. Das Thema bleibt virulent. Und wir bleiben dran.
3 Kommentare verfügbar
Jue.So Jürgen Sojka
am 17.07.2020Da kommt ja jetzt in Hessen ein neuer Polizeipräsident mit großen Lorbeeren an Vorschuss, die er bereits seit 1973 im Polizeidienst sich erarbeitet hat. [1]
Wir in Baden-Württemberg sind mit unserem Innenminister Strobl…