Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und die LandesgesundheitsministerInnen haben virtuell geredet und beschlossen: Die Schnelltest-Zentren sollten doch irgendwie kontrolliert werden. Weil sonst offenbar betrogen werden kann, wie Recherchen von WDR, NDR und "Süddeutscher Zeitung" gezeigt haben. Wie die Kontrollen aussehen sollen, wird noch geklärt.
Wieder einmal in dieser Pandemie zeigt sich, dass PolitikerInnen gerne Ansagen machen, sich aber ungerne darum kümmern, wie ihre Ansagen umgesetzt werden können. Erinnert sei an die Maskenpflicht, als es noch zu wenig Masken gab. Dann hieß es, nun werde massiv geimpft. Allerdings gab's zu wenig Impfstoff. Dann kamen Schnelltests ins Spiel, und auch die waren anfangs nicht mal für Schulen in ausreichendem Maß vorhanden. Und nun, da es genügend gibt, zeigt sich: Die Testverordnung des Bundes sieht keinerlei Kontrollen bezüglich der Abrechnung geschweige denn der Durchführungsqualität vor.
Wie hätte Bundesgesundheitsminister Spahn auch darauf kommen sollen, dass BetrügerInnen so auf Zack sind und derart schnell erkennen, wie einfach hier zur Abzocke eingeladen wird? Wahrscheinlich glaubt Spahn an das Gute im Menschen, insbesondere im Unternehmer. Als er Anfang März dafür gescholten wurde, dass er Schnelltests für alle versprochen, aber nichts organisiert hatte, sagte Spahn in einer Pressekonferenz: "Das wird sich doch ergeben. Ich bin optimistisch, dass da Innovation, Kreativität, Pragmatismus vor Ort am Ende immer jede Idee, die wir im Bundesministerium haben, vielleicht noch ein Stück übertrifft." In der Tat. Es zeigt sich: Die Schnelltestpflicht lässt Kreativität zu und auch frei. In Nordrhein-Westfalen und Bayern ermitteln bereits Staatsanwaltschaften. Natürlich sind die meisten der mehreren Tausend Testzentren-BetreiberInnen ehrlich. Clubbesitzer, die einfach mal die Chance auf ein wenig Umsatz ergreifen, Messebauerinnen, die endlich etwas zu tun haben wollen. Die gibt's. Und dann gibt es die, die mehr Tests abrechnen als sie gemacht haben, und ordentlich kassieren.
Kontrolle? Sorry, ist grad ganz schlecht
Es ist wahrlich keine Leninsche Erkenntnis, dass Vertrauen gut, Kontrolle aber besser ist. Kontrolle heißt auch, Verantwortung zu übernehmen. Eben die scheuen vor allem öffentliche Institutionen wie der Teufel das Weihwasser. Noch bevor die Rechercheergebnisse zu Betrügereien veröffentlicht wurden, fragte Kontext mögliche Teststellen-Zuständige, wie sie die Teststellen kontrollieren. Die Pressestelle der Stadt Stuttgart antwortete: "Durch die Allgemeinverfügung des Landes sind die Kriterien zum Führen eines Testzentrums sehr niederschwellig. Das Gesundheitsamt der Landeshauptstadt Stuttgart hat zur Anmeldung der Teststellen eine Checkliste erstellt, in der die Kriterien aus der Allgemeinverfügung abgefragt werden. Die Anbieter unterschreiben mit dieser Checkliste, dass die Kriterien erfüllt sind."
Das Landesgesundheitsministerium erklärt wiederum: "Die Abrechnung erfolgt nach der Test-Verordnung (TestV) über die Kassenärztliche Vereinigung direkt mit dem Bund. Das Landesministerium spielt hierbei keine Rolle. Wenden Sie sich deshalb mit Rückfragen dazu an das zuständige Bundesgesundheitsministerium."
Erstmal die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg. Deren Sprecher Kai Sonntag: "Wir sind der falsche Ansprechpartner." Die KV leite die Meldungen über (angebliche) Kosten der Testbetreiber nur ans Bundesamt für Soziale Sicherung weiter. Das zahlt dann.
Und der Bund? "Der Bund setzt den Rahmen, der Bund gibt die Regeln vor, der Bund übernimmt die Kosten, aber der Bund kann nicht die Teststellen vor Ort kontrollieren." Das erklärte Minister Spahn nach dem Bekanntwerden des Skandals im Deutschlandfunk.
Es ist mehr als ärgerlich, dass schon per Verordnung kein Verantwortlicher für Kontrollen vorgesehen war. Richtig bitter ist, dass auch niemand diese Verantwortung haben will. Keine Ebene, kein Amtsleiter, keine OberamtsleiterIn sagt: "Wir gehen da jetzt von uns aus ran, weil es nicht sein darf, dass hier Steuergeld an Betrüger fließt." Immerhin sind bislang 659 Millionen Euro für Schnelltests abgerechnet worden. Und jetzt, wo es darum geht, die Testabrechnungen kontrollierbarer zu machen, winken die ersten schon wieder ab. So erklärte der Gemeindebund-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg vorsorglich, die Gesundheitsämter könnten nichts kontrollieren, sie seien bereits überlastet.
Auch heikel: die Qualifikation der TesterInnen
Außer ums Geld geht es auch um die Qualität der Testdurchführung. Dass die Schnelltests keine 100-prozentige Sicherheit geben, ist bekannt und akzeptiert. Voraussetzung, dass sie einigermaßen zuverlässig sind, ist die richtige Anwendung. Der notwendige Qualifikationsnachweis der SchnelltesterInnen besteht in einer Schnell-Schulung, auch möglich per Video (gibt's für zehn Euro bei den Johannitern.) Sicher, es braucht keine hohe Heilkunst für einen Schnelltest. Wer einen Selbsttest bei sich gemacht hat, weiß, wie sich das Stäbchen in der Nase anfühlt. Um aber ein Gefühl dafür zu bekommen, wie andere dieses Stäbchen empfinden, und wie weit man das in fremde Nasen schieben kann und soll – dafür wäre ein wenig Übung sinnvoll.
3 Kommentare verfügbar
R.Gunst
am 04.06.2021So ist doch der Beruf des bundesdeutschen Politikers wohl der einzige, in dem niemand Gefahr läuft, einmal für seine Handlungen zur Verantwortung gezogen zu werden.
Diese…