Das Schöne an der Landtagswahl in Baden-Württemberg ist, dass man als WählerIn nichts falsch machen kann. Ob Nazi, Säufer oder gar Teufel: Die Geschichte hat gezeigt, dass man guten Gewissens jeden noch so planlosen Menschen zum Ministerpräsidenten wählen kann, weil dieses Amt ja seit der Erfindung des Autos auf repräsentative Aufgaben beschränkt ist.
Nur kurz waren wir mal verunsichert, damals, irgendwann, als man für die Strecke vom Stuttgarter Bonatzbau bis zum Regionalbahngleis noch keinen Reiseführer brauchte: Plötzlich stellten da die Grünen den Landesvater. Konnten Wahlen also womöglich doch etwas ändern? Ist es verantwortungslos von uns gewesen, jahrzehntelang aus Scheiß für die CDU zu stimmen, nur um zu schauen, ob die Konservativen abermals einen noch chaotischeren Kasper fürs Schloss Ba-Wü finden konnten als den jeweiligen Vorgänger?
Zum Glück hat spätestens Corona dann aber klargestellt: Selbst ein grüner Leitwolf muss in Baden-Württemberg Subventionen für Verbrennungsmotoren und Autokaufprämien fordern. Wer wirklich Einfluss auf dieses Land nehmen will, vergisst die eher unverbindliche Volksbefragung vom 14. März ganz schnell und markiert sich lieber den 31. März im Kalender. Da ist Hauptversammlung. Für die Teilnahme brauchen Sie zwar Daimler-Aktien, aber so ein Wertpapier bringt dafür auch viel mehr als ein Stimmzettel: 1,4 Milliarden Euro schüttet unser regierender Autobauer dieses Jahr an seine Aktionäre aus. Die Hälfte davon, 700 Millionen, hatte er an Kurzarbeitergeld eingestrichen. Die Politik hat aber im Rahmen ihrer Möglichkeiten sofort reagiert und zur Strafe den Mercedes-Stern vom Hauptbahnhof der Landeshauptstadt geholt.
Dass echt niemand diese Abstimmung ernst nimmt, zeigt allein das alberne Wahlsystem: Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland, in dem es keine Landeslisten gibt. Man hat nur eine Stimme, aus der auf wundersame Weise zwei gemacht werden. Oder wie die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt: "Dieses sehr spezielle Wahlsystem gilt daher auch als eines der intransparentesten der Republik."
Nehmen wir an, Sie wollten, warum um Gottes Willen auch immer, die CDU wegen ihres Programms als starke Kraft im Landtag haben. Sie wussten aber genau: Der Kandidat der Union in Ihrem Wahlkreis ist einer von der Sorte Löbel/Nüßlein/Hauptmann/Kohl/Willsch/Schäuble/Strenz/Fischer/Warum wollten Sie nochmal CDU wählen?/Amthor/Strauß/Mappus/Laschet/Bareiß/Merz/Grindel/Maaßen/Spahn usw. usf... Dann ist Ihnen letzten Sonntag nichts anderes übriggeblieben, als dem Kleptokraten Ihres Misstrauens die Stimme zu schenken.
Obwohl es bei dieser Landtagswahl also wie immer um nichts ging, hat allen voran Susanne Eisenmann besonders aggressiven Wahlkampf geführt. Der ehemalige Regierungssprecher Hans Georg Koch ist wegen des Kamikazekurses der schwäbischen Iron Lady sogar aus der Partei ausgetreten. Es ist anscheinend einfach so möglich, da rauszukommen, man muss vorher keine Geschäfte mit Masken oder aserbaidschanischen Diktatoren gemacht haben.
Um die Covid-Götter zu besänftigen, wollte die CDU-Spitzenkandidatin das rituelle Menschenopfer wiedereinführen und die Schulen schon am 1. Februar öffnen. Dabei haben wir doch sowieso schon Lehrermangel! Immerhin: Bei 24 Prozent der Wählenden erwies sich der Paukerhass aus der Pennälerzeit noch als stark genug, um die Killer Queen zu unterstützen. Und lässt man das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit mal beiseite, war die Idee rein strategisch natürlich brillant: Baden-Württembergs LehrerInnen wissen ohnehin schon lange um die Inkompetenz der Kultusministerin und wählen daher wohl eher deren Kontrahenten – aber versuchen Sie mal, am Beatmungsgerät Briefwahl zu beantragen.
6 Kommentare verfügbar
Jue.So Jürgen Sojka
am 19.04.2021Angenommen, bitte das ist jetzt lediglich eine Annahme: Eindeutige, klare und unmissverständliche Tatsachenbenennung würde selbstverständlich sein [1].
Tatsache ist allerdings nicht, dass den Wählenden nichts übrig bleibt … Es geht…