Ende Dezember stimmte Wolfgang Schäuble die Bundesbürger auf den kommenden Kampf gegen die Klimakrise ein: Klimaschutz gebe es nicht "zum Nulltarif", bekräftigte der Bundestagspräsident in der Vorweihnachtszeit. Die Deutschen hätten sich auf Abstriche bei ihren Lebens- und Konsumgewohnheiten einzustellen: "Wir werden unser Leben verändern müssen."
Der traditionelle Reflex, auf krisenhafte Entwicklungen mit einer Politik des Gürtel-Enger-Schnallens zu reagieren, wird auch von vielen Ökonomen in der Bundesrepublik geteilt. Schon im Oktober 2019 sprachen sich Vertreter der fünf führenden Wirtschaftsinstitute für einen "Konsumverzicht der heutigen Generationen" aus, um "Investitionen in emissionsärmere Energieerzeugung und in die Verkehrsinfrastruktur" tätigen zu können. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner wiederum forderte die Deutschen Anfang Januar schlicht auf, mehr Geld für Lebensmittel auszugeben, um die unhaltbaren Zustände im Agrar- und Lebensmittelsektor der Bundesrepublik verbessern zu können.
Der rhetorische Taschenspielertrick, der solchen Appellen an "die Deutschen" oder "uns alle" zugrunde liegt, besteht in dem ganz großen "Wir", das hierbei konstruiert wird. Eine sozial gespaltene Gesellschaft, in der seit der Durchsetzung der Agenda 2010 ein Abgrund zwischen Arm und Reich aufgerissen wurde, erscheint in diesen umweltpolitischen Sonntagsreden plötzlich als eine egalitäre Gesellschaft, in der alle gleichermaßen Opfer für das Klima zu bringen hätten. Worauf diese "Gleichbehandlung" in einer sozial zerrütten Gesellschaft letztendlich hinausläuft, ist eine klassisch neoliberale Politik, unter der sozial abgehängte Bevölkerungsschichten besonders stark zu leiden haben.
Ins Bett bei Kerzenschein
Offensichtlich wird das an der weitgehend gescheiterten "Energiewende", die unter der letzten rot-grünen Regierung im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im März 2000 in Angriff genommen wurde. Hohe Energiekosten und eine Subventionierung erneuerbarer Energien sollten die Umstellung des Energiesektors und die Absenkung der CO2-Emissionen in der Bundesrepublik in die Wege leiten. Nach zwei Dekaden weist die Bundesrepublik die höchsten Strompreise innerhalb der EU auf, die wie eine Kopfsteuer wirken und insbesondere einkommensarme Menschen belasten. Profitieren konnte von dem EEG nicht nur die Mittelklasse mit ihren ökologisch sanierten Eigenheimen, sondern auch die exportorientierte Industrie, die entsprechende Ausnahmeregelungen durchsetzen konnte.
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chr/christiane
am 26.01.2020Wir heizen mit Heizöl. Würden wir "klimafreundlich" sanieren, müssten wir wesentlich mehr als 100.000 Euro investieren. Wir müssten das ganze Haus mit Dämmmaterial einpacken lassen--oder hundert Meter in die Erde bohren lassen,…