Spannend ist dabei nicht nur, dass sich die grün-schwarze Landesregierung vor Gericht mehrere krachende Niederlagen gegen die DUH einfing und sich, ganz als wäre Baden-Württemberg zum rechtsfreien Raum geworden, lange Zeit weigerte, die richterlichen Anordnungen in die Praxis umzusetzen. Auch Strobl selbst geriet mit der Umwelthilfe aneinander: So enthüllte die DUH im August 2018, dass kein einziger Dienstwagen im Fuhrpark der Landesregierung die EU-Grenzwerte im Fahrbetrieb einhält. Einsam an der Spitze der Dreckschleudern steht der Audi A8 von Thomas Strobl, mit einem Verbrauch von 376 Gramm CO2-Ausstoß pro Kilometer. Auf Platz zwei landete, bereits weit abgeschlagen, Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut mit 252 Gramm.
Keine Frage: Für viele Dieselfahrer, die sich keinen Neuwagen nach Euro-6-Norm leisten können, sind die Fahrverbote in Stuttgart eine Katastrophe. Die Schuld für die Verbote ist aber nicht bei einem Verein zu suchen, der geltendes Recht einklagt. Sondern bei einer desaströsen Verkehrspolitik, die in Stuttgart seit mehr als einem Jahrzehnt versagt hat, wirkungsvoll gegen Luftverschmutzung vorzugehen und gültige Grenzwerte einzuhalten. Ein Zeitraum, in dem die CDU übrigens meistens mitregiert hat.
Absicht oder Unvermögen?
Weit mehr als nur ein Jahrzehnt lang versagt hat die Landespolitik bei einem anderen Thema, nämlich der Aufarbeitung von Verbrechen der NS-Justiz im Land. 1989, immerhin schon 44 Jahre nach Kriegsende, hatte der Verwaltungsrichter Fritz Endemann begonnen, für ein Mahnmal für die über 400 Menschen zu kämpfen, die im Hof des früheren Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart hingerichtet wurden, dort, wo heute ein Parkplatz für das Landgericht ist.
Nahezu zweieinhalb Jahrzehnte tat sich fast nichts. Erst 2013 kam allmählich Bewegung in die Sache bis das Justizministerium im Juni vergangenen Jahres endlich vermeldete: Finanzierung gesichert, bis Ende 2018 werden drei Stelen zur Erinnerung an die Hingerichteten vor dem Landgericht sowie eine Ausstellung in dessen Inneren realisiert (<link https: www.kontextwochenzeitung.de zeitgeschehen verschleppte-erinnerung-5170.html _blank external-link>Kontext berichtete). Mit dem angepeilten Datum hat es zwar nicht ganz geklappt, aber mit vergleichsweise geringer Verzögerung soll die Eröffnung nun am 29. Januar stattfinden.
Zumindest bei der Planung der Eröffnung scheint es, dass sich das Justizministerium nicht von den hohen Erwartungen an einen solchen Ort unter Druck setzen lassen wollte. Sehr dürr gehalten ist der Text der Einladungskarte, das Haus der Geschichte kommt gar nicht vor, obgleich das zu Eröffnende ja von ihm konzipiert wurde, ein Programm des Abends fehlt, und in Mails an Eingeladene wird darauf hingewiesen, dass es wegen der "sehr, sehr beengten" Räumlichkeiten in einem Flur im ersten Stock "nicht möglich sein (wird), alle Einladungswünsche bzw. organisatorischen Anregungen zu berücksichtigen." Vertreter vieler Initiativen, die sich um die Erinnerung an das NS-Unrecht und speziell die in Stuttgart Hingerichteten verdient gemacht haben, wurden gar nicht erst eingeladen. Zumindest bei der Hotel-Silber-Initiative wurde dies mittlerweile nachgeholt: eine Person darf kommen.
Absicht oder Unvermögen? Jedenfalls erbost dieses Procedere viele. Auf eine Kontext-Anfrage beim Justizministerium, warum kein größerer Raum gewählt wurde, erklärte Ministeriums-Pressesprecher Steffen Tanneberger, dass "die Veranstaltung unmittelbar in den Ausstellungsräumen" stattfinden sollte, und dass "dieser Ort auch deshalb gewählt (wurde), weil er einen Blick auf den hinteren Bereich des Landgerichts zulässt" – dorthin, wo bis 1944 "über 400 Todesurteile vollstreckt wurden." Trotzdem: Wäre es zu viel verlangt gewesen, Räumlichkeiten zu finden, in denen nach so langer Vorlaufzeit mehr Gäste Platz haben?
4 Kommentare verfügbar
Jue.So Jürgen Sojka
am 16.07.2020Im WDR Fernsehen die Sendung "planet wissen" mit dem Thema
…