Die Folge dieses Meinungs-Oligopols: So ziemlich jeder Erwachsene kommt regelmäßig mit den mächtigen Meinungsmachern in Kontakt, ohne sie als Ganzes wahrzunehmen. Doch sie alle ziehen ihre Fäden still zur hohen Politik und tief in Lobbyverbände hinein. Wer kennt schon die publizistischen Riesen? Kaum ein Konzern tritt unter dem Namen seiner Besitzer auf. So stehen die fast durchweg von Familien geführten Giganten im Schatten ihrer eigenen Größe – mit Absicht. Diese Pressekonzentration im 80-Millionen-Volk ist peinlich. Und sie nimmt immer schärfere Züge an. Daher ist der Satz von Paul Sethe (1901–1967), konservativer Publizist, Journalist und umstrittener Mitherausgeber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) aus den Sechzigerjahren, aktueller denn je: "Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten."
Publizistisch haben heute vermutlich kaum hundert Multimillionäre sowie einige Funktionäre und Spitzenpolitiker der öffentlich-rechtlichen Anstalten das Sagen. Ihr Geld und Einfluss bestimmen die Richtung. So geht der Konzentrationsprozess in der Presse munter weiter! Wie heißen diese Meinungs-Oligopolisten, was sind ihre wichtigsten Publikationen? Im ersten Teil meiner Führung gehe ich bei den großen zwei der Einflussreichen auf Entdeckungsreise: Bertelsmann und Springer. In weiteren Folgen nehme ich unter aanderem die Verlagskonzerne WAZ, Holtzbrinck, Bauer, Burda, DuMont, FAZ, Madsack und Ippen unter die Lupe sowie die nahe liegende Südwestdeutsche Medienholding (SWMH), die zusammen mit der Süddeutschen und der Rheinpfalz-Gruppe weitgehend den süddeutschen Raum dominiert.
Medienmultis sind wie Riesenkraken: Überall reichen ihre langen Arme hinein, saugen und greifen ihre Näpfe gierig den Profit. Feinde halten sie im Würgegriff. Daher zählen sich Politiker lieber zu ihren Freunden, manche fressen den großen Tieren aus der Hand. So sind Bundes- wie Landespolitiker in Aufsichts- und Beiräten zu Diensten, oder sie lassen sich in Stiftungen, Projektgruppen oder Initiativen einer Lobby einbinden. Dafür genießen die Medienhäuser allerlei Privilegien: kein Mitspracherecht des Betriebsrats bei der Einstellung oder Entlassung von Redakteuren, Steuervorteile für Presseprodukte, Privatisierung und Liberalität im Niedriglohnsektor sowie grenzenlos freie Hand bei Privatsendern und deren Programmen. Nur dem ungehemmten Einfluss der Meinungs-Oligopolisten im Medienfilz der Politik sind die geltenden Mediengesetze der Privaten zu verdanken. Dieser Hohn auf eine würdige Medienkultur ohne ethischen Anker hätte nie in Kraft treten dürfen: jede Menge Unterbrecher- und Schleichwerbung (wie im US-Fernsehen), kaum journalistische Auflagen für die Inhalte, dafür seicht mit Sport und Unterhaltung und der Lizenz zum Gelddrucken.
Bertelsmann ruft nach Privatisierung
Die absolute Nummer eins an der Spitze dieser Profiteure heißt Bertelsmann SE & Co. KG a. A. Die Gütersloher stehen weltweit stets in einer Spitzengruppe etwa unter den ersten fünf. Bertelsmann betreibt fast jede Mediensparte und mehr – der Tausendfüßler der Szene: Buchverlage (Random House, darunter Goldmann), Buch- und Musik-Clubs, Printmedien, Druckereien, Kino, Film, Video (z. B.: CLT-UFA, Universum) sowie Hörfunk und Fernsehen im In- und Ausland mit der RTL-Schiene, Vox und N-TV. Doch das Imperium ragt weit über den Medienbereich hinaus. Bertelsmann steckt ebenso hinter Callcentern, besorgt Inkasso- und Adressenmanagement sowie den Warenvertrieb (Logistik) für allerlei Produkte auch außerhalb der Verlage und bietet Internet- und Online-Auftritte an. Auch sogenannte Outsourcing-Dienstleistungen mit Billigarbeitskräfte sind dabei. Hinter diesem Geschäft steckt der Ruf nach Privatisierung, an dessen Erfolg der Riese seit Jahren profitiert. Die Bereiche jenseits des klassischen Verlagswesens beschäftigen bereits die meisten Menschen der rund 100 000 Mitarbeiter in mehr als 40 Ländern.
Wer ahnt schon bei der Lektüre des "Spiegels" oder "Manager Magazins", dass auch diese "linken" Blätter im Einflussbereich der konservativ-pietistischen Verleger aus dem westfälischen Gütersloh liegen? Der Krake hält 25,1 Prozent am "Spiegel" und "Manager Magazin" – gedruckt wie online. Diese Publikationen sind Teil des Riesengeschäfts mit Zeitschriften und Illustrierten. Die meisten bunten Blätter sind in der Hamburger Tochter Gruner + Jahr (G + J) gebündelt, dem größten Zeitschriftenverlag Europas. Mit dem Paket führt der Konzern durch Zeitschriften wie "Stern", "Brigitte", "Gala", "Capital", "GEO", "P. M.", "essen & trinken", "Eltern", "Börse Online", "Sports", "Auto Motor Sport" usw. Neugründungen sind an der Tagesordnung wie u. a. "Park Avenue", "Emotion", "Healthy Living" ... Diverse Online- und Internetaktivitäten werden kräftig ausgebaut. Ein politisch wie gesellschaftlich entscheidender Coup gelang im Geschäft mit dem Privatfunk. Bertelsmann gehören 75,1 Prozent an der RTL-Group, wodurch die Gütersloher auch in dieser Sparte das Sagen haben – national wie international. Gut ein Viertel des RTL-Ablegers kam gerade an die Börse. Nun gebietet der Riese gemeinsam mit der britischen Pearson-Gruppe sowohl über gut zwei Dutzend TV-Sender und zig Radiostationen in Europa als auch über globale Produktionsgesellschaften für Filme und Videos.
Allerdings musste das Imperium auch Federn lassen, Betriebe sowie ganze Sparten aufgeben. So verkaufte der Multi fast alle Fachverlage (Bücher, Zeitschriften, Newsletter) sowie von der "Sächsischen Zeitung" abgesehen alle Tageszeitungen ("Berliner Zeitung", "Dresdner Morgenpost" und "Chemnitzer Morgenpost"). Die mit Pearson verlegte Wirtschaftszeitung "Financial Times Deutschland" (FTD, 50-Prozent-Anteil) wurde Ende 2012 nach hohen Verlusten eingestellt. Dieser Ausstieg ist wieder ein Beleg dafür, dass die Gütersloher wie andere Giganten nicht zögern, einzelne Objekte oder Firmen (Verlage, Druckbetriebe) radikal zu schließen oder zu verscherbeln.
6 Kommentare verfügbar
Jörg Prostka
am 29.06.2013Als Ergänzung hier drei Anmerkungen zur Diskussion:
1. Welche Auswirkungen haben Medienkonzentration und Medienkonvergenz auf den Berufsalltag…