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Equal Pay Day: wichtig

Equal Pay Day: wichtig
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Dieser Tag erinnert zu Recht daran, dass Frauen immer noch weniger verdienen als Männer. Überflüssig ist er erst, wenn sich das geändert hat. Ein Kommentar.

Illustration: Jumi Jami Illustration Katharina Bretsch

Ja, erstaunlich, Herr Kollege Moser, wie hartnäckig sich manche Irrtümer halten. Etwa der vom Haupt- und Nebenwiderspruch und dass die Genderfrage selbstverständlich ein Nebenwiderspruch ist. Man sollte tatsächlich denken, dass Mann dieses holzschnittartige Denken mit dem Ende der K-Gruppen an der Garderobe abgegeben hat. Befremdlich auch, dass der Equal Pay Day für solche Scharmützel herhalten muss und der berechtigte Kampf der Frauen für gerechte Bezahlung benutzt wird, um auf die Schere zwischen Arm und Reich hinzuweisen und den Equal Pay Day als Nebenkriegsschauplatz abzuwerten. 

Diese Instrumentalisierung geht mir gehörig auf den Keks. Da sind mir doch die Machomänner lieber, die ihre gläserne Decke ängstlich schützen, weil sie weibliche Konkurrenz fürchten. Da weiß man wenigstens, woran man ist. <link http: www.berlinverlag.de bucher _blank external-link-new-window>"Das Ende der Männer" sieht die US-Autorin Hanna Rosin heraufdämmern. Solche Abwehrkämpfe klingen verdammt danach.

Doch bleiben wir bei der Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern, auch Gender Pay Gap genannt. Wenn Frauen gleichberechtigt sein wollen, brauchen sie einen Beruf, und sie brauchen Geld. Das Sein bestimmt das Bewusstsein, da hat der alte Karl Marx schon recht, liebe linke Kollegen. Also schauen wir uns doch mal an, wie es aussieht mit der Berufswahl und der Bezahlung der Frauen. 

Da ist also der Equal Pay Day, der besagt: Bis zu diesem Tag im März müssen Frauen länger arbeiten, um auf den gleichen Jahresverdienst wie Männer zu kommen. In diesem Jahr ist es in Deutschland der 21. März. Seit es diesen Tag gibt, also seit 2008, streiten sich vor allem Männer darüber, was denn die Grundlage dieser Zahlen ist: Ist es ganz allgemein der Verdienst, dann beträgt die Lohndifferenz 22 oder 21 Prozent, die sogenannte unbereinigte Lohnlücke. Legt man gleiche Ausbildung, Qualifikation und Arbeitszeit zugrunde, sind es nur sieben Prozent, also die bereinigte Lohnlücke. Legt man gar die Zahlen des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln zugrunde, wie es der Kollege Moser getan hat, sind es nur zwei Prozent. 

Nun könnte man argumentieren, egal ob 22, sieben oder zwei Prozent, jedes Prozent ungleicher Bezahlung von Männern und Frauen ist eins zu viel und ungerecht. Das leuchtet unmittelbar ein, aber so einfach wollen wir es uns nicht machen! 

Betrachten wir also die Realität hinter den Zahlen genauer. Und die Interessen, mit denen diese Zahlen interpretiert werden.

Warum denn sind Frauen oft in schlechter bezahlten Jobs? Warum sind es meist Frauen, die in Teilzeit arbeiten oder eine Auszeit nehmen und deshalb weniger Geld verdienen? Aus einem ganz schlichten Grund: Weil es immer noch meist sie sind, die versuchen, Beruf und Familie zu vereinbaren. Egal, ob es um die Pflege der alten Eltern respektive Schwiegereltern (sic!) oder um die Erziehung der Kinder geht. Das wäre schon anders, wenn Männer über Familie nicht nur reden, sondern sie genauso in ihren Lebensentwurf mit einbeziehen würden. Tun sie aber nicht. Dabei könnten sie das leicht ändern. 

Doch nur ein kleiner Prozentsatz der Männer nutzt bisher die Möglichkeit, die sich ihnen seit der Einführung der Vätermonate. Nämlich die Chance, innerhalb der ersten drei Lebensjahre ihres Nachwuchses eine Auszeit zu nehmen, sich ihren Kindern zu widmen und dafür bis zu einem Jahr aus dem Job auszusteigen. Gerne wurde dies Novellierung der Elternzeit von Männern übrigens als "Windelvolontariat" diffamiert, als "Freiheitsberaubung" oder als Peitsche um sie an den heimischen Herd zu zwingen.

Bisher bedeutet eine solche Elternzeit meist einen Karriereknick mit entsprechend schlechterer Bezahlung. Und das nehmen immer noch mehr Frauen auf sich als Männer. Warum eigentlich?

Was wäre denn, wenn sich Männer genauso wie Frauen für die Erziehung der gemeinsamen Kinder zuständig fühlten? Wenn sich sich dafür auch bei ihren Chefs starkmachen würden, statt zu jammern und sich auf Rechenspiele einzuschießen? Dann könnten Frauen und Männer nicht mehr so leicht gegeneinander ausgespielt werden, was Unternehmen im Sinne eines größeren Profits immer noch tun. Na, das wäre doch mal was Konstruktiv-Konkretes, statt theoretisch den alten Haupt- und Nebenwiderspruch wieder aufleben zu lassen!

Die Geschlechter-Gehalts-Differenz-Berechnung verschleiert, dass die Einkommensschere allgemein auseinandergeht? Das ist argumentatorisch und politisch Quatsch. Und ein infames Ausspielen von Ungerechtigkeiten. Und so ganz nebenbei steckt darin ein logischer Fehler, den ich dem Manne leider nicht ersparen kann. Je größer die Lücke, argumentiert er, umso mehr werde von der wahren Ungerechtigkeit abgelenkt. Warum nur errechnet dann ausgerechnet das Institut der deutschen Wirtschaft, das als Forschungsinstitut der Arbeitgeber allen Grund hätte, über die wahren Einkommenverhältnisse verschleiernde Nebelkerzen zu werfen, nur schlappe zwei Prozent? Müssten hier, der Logik des Kollegen folgend, nicht die höchsten Punktzahlen herauskommen? Das nur nebenbei.

Es geht nicht darum, Männer wohlhabender zu machen, als sie sind. Es geht auch nicht darum, zu übersehen, dass die Schere in dieser Gesellschaft immer weiter auseinandergeht. Um darauf aufmerksam zu machen, eignet sich bestens der jüngste Armutsbericht der Bundesregierung mit seinen von der FDP initiierten Beschönigungen und bereinigten Interpretationen. 

Dabei die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen zu instrumentalisieren ist weder argumentativ nachvollziehbar noch politisch hilfreich. Es ist bestenfalls naiv oder bequem.

 

Die Gegenposition lesen Sie hier: <link internal-link>Equal Pay Day: nichtig.

 


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2 Kommentare verfügbar

  • Jue.So Jürgen Sojka
    am 18.08.2020
    Antworten
    Überflüssig … Susanne Stiefel,
    ist so manches was nach wie vor gelebte Wirklichkeit ist – wie die Ungleichbehandlung in mannigfaltigen Lebensbereichen unserer Gesellschaft «in Deutschland, Europa und der ganzen Welt».

    Wie beklagte die Juristin «eine der vier Frauen im Parlamentarischen Rat»…
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