Man muss es nicht nur negativ sehen: Zweifellos sind überall dort, wo Hitlers Geheime Staatspolizei ihren Sitz hatte, schwere Verbrechen begangen worden. Sich damit auseinanderzusetzen ist kein Vergnügen. Und doch besuchen weit über eine Million Menschen jährlich die NS-Gedenkstätten in Berlin, Nürnberg, Köln und anderen Städten. Dies ist ein positives Signal: 70 Jahre danach wird die Beschäftigung mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte gerade von jungen Menschen nicht als lästige Pflichtübung begriffen. Viele wollen wissen, was damals geschah, sei es, weil sie persönlich etwas damit verbinden oder weil sie daraus lernen wollen. Die Aufarbeitung der Vergangenheit hat auch etwas mit der Gegenwart und Zukunft zu tun.
Noch vor drei Jahren sollte die frühere Gestapo-Zentrale in Stuttgart abgerissen werden, um Platz zu machen für ein schickes Neubauprojekt des Warenhauses Breuninger und des damals noch von Ministerpräsident Stefan Mappus regierten Landes Baden-Württemberg, Luxusläden und Luxushotel inklusive. In dem ehemaligen Hotel Silber, das seit 1928 Polizeipräsidium war, seien keine Spuren aus der NS-Zeit mehr erhalten, hieß es zur Begründung damals. Der Abrisstermin stand bereits fest.
Anders als etwa im Kölner El-De-Haus, wo es noch 1800 Inschriften gibt, die Häftlinge in den letzten Kriegsjahren in die Wände ritzten. Die Kölner Gestapo-Zentrale ist seit 1988 Gedenkstätte. Die Ausstellungsfläche wurde kürzlich um 1000 auf 2850 Quadratmeter erweitert. Im vergangenen Jahr kamen fast 60 000 Besucher.
Kyrillische Buchstaben an der Zellentür
Im Stuttgarter Hotel Silber gibt es noch eine Zellentür, in die Gefangene Wörter in verschiedenen Sprachen einritzten, auch in kyrillischen Buchstaben; wie der Historiker Walter Nachtmann Anfang der 80er-Jahren herausfand, stammten sie von zwei Häftlingen, die mit einer Eisenbahnbau-Brigade nach Stuttgart gelangt waren. Den Kellerwänden des Gestapo-Gebäudes ist nicht mehr anzusehen, dass dort noch kurz vor Kriegsende vier Personen erhängt wurden.
Doch am Ort der "Topographie des Terrors" in Berlin war noch viel weniger erhalten, wendet Andreas Nachama, der Leiter der Gedenkstätte, ein. Trotzdem strömen die Besucher, 500 000 im Jahr, um "am authentischen Ort" etwas über die Zentrale des nationalsozialistischen Terrors zu erfahren.
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Ulrich Frank
am 30.11.2013