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Bosch

Sozialpartnerschaft ade

Bosch: Sozialpartnerschaft ade
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Ein Jahr des Schreckens geht für die Bosch-Beschäftigten vorüber. Der Schrecken endet damit aber nicht. Deutschlandweit will der Konzern bis 2030 rund 22.000 Stellen streichen. Nicht nur in Leinfelden, Sebnitz und Waiblingen protestierten die Boschler:innen. Bislang ohne Erfolg.

In den beiden Power-Tools-Standorten Leinfelden und Sebnitz wird Ende 2026 endgültig das Licht ausgemacht, rund 500 Frauen und Männer verlieren ihre Jobs – und die Städte potente Steuerzahler:innen. Zudem wahrscheinlich weitere Arbeitsplätze bei Zulieferern und Dienstleistern. Aber trotz der Proteste von Beschäftigten und Politik, blieb der Konzern bei seinen Schließungsplänen. Seine Bohrhämmer lässt er lieber in Ungarn fertigen. "In Leinfelden sind schon Fertigungslinien abgebaut", berichtet Max Czipf von der IG Metall Esslingen. In Ungarn werde bereits produziert. Dort wurde mit staatlicher Unterstützung eine moderne Fertigung aufgebaut, während in Leinfelden seit Ewigkeiten nicht investiert worden war. Czipf weiß auch, dass die Fertigungstiefe in Ungarn nicht so hoch ist wie in Leinfelden. "Da werden Teile aus China zugekauft." Dass die Leute dort Zwölf-Stunden-Schichten arbeiten, dürfte den Bosch auch gereizt haben.

An beiden Standorten wurden Sozialpläne mit den Betriebsräten ausgehandelt, zudem können die Leute in eine Beschäftigungsgesellschaft wechseln. Dort haben sie ein Jahr Zeit, um mit Hilfe der Beschäftigungsgesellschaft einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Das dürfte gerade für Angelernte aus der Produktion nicht einfach werden.

Ausgabe 765 vom 26.11.2025

"Bosch Family is over"

Von Gesa von Leesen

Die Steckerproduktion von Bosch in Waiblingen soll dichtgemacht werden. Der Konzern will lieber in Thailand fertigen lassen. Gegen diesen Plan gingen am Montag auch viele Boschler:innen aus anderen Werken auf die Straße – ein Erfolg, der selbst die Gewerkschaft überraschte.

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In Waiblingen wird noch um jeden Arbeitsplatz gerungen. Das Steckerwerk dort mit seinen 560 Mitarbeiter:innen will der Konzern 2028 dichtmachen, die Produktion nach Thailand verlagern. Der Waiblinger Standort ist gewerkschaftlich gut organisiert, zu einer Protestkundgebung der IG Metall Ende November kamen rund 2.000 Menschen. Wie der Kampf dort weitergeht, ist bislang nicht bekannt, es laufen Gespräche mit der Arbeitgeberseite. Betriebsrat und Gewerkschaft wollen Arbeitsplätze erhalten. Eine Möglichkeit, um dafür Druck aufzubauen, könnte sein, einen Sozialtarifvertrag zu fordern. Dann könnte die Belegschaft für ihre Forderungen streiken. Doch in der Leitung der baden-württembergischen IG Metall tut man sich traditionell schwer mit diesem Instrument, eher denkt man in Kategorien der Sozialpartnerschaft.

Dass die von Arbeitgeberseite in den vergangenen Monaten immer weniger ernst genommen wird, zeigt allerdings der jüngste Wechsel an der Spitze von Gesamtmetall: Nach dem Rückzug von Stefan Wolf (Ex-Vorstand des Maschinenbauers Elring Klinger in Dettingen) wurde Udo Dinglreiter Präsident von Gesamtmetall. Es ist Mitinhaber des bayerischen Maschinenbauers R. Scheuchl – eine Firma, die nicht tarifgebunden ist. Das ist ein Novum in der 135-jährigen Geschichte des Verbands und damit eine Wahl, die als Kampfansage an den Flächentarifvertrag verstanden werden darf.

Die Bosch-Konzernleitung jedenfalls hat sich im abgelaufenen Jahr endgültig aus der Sozialpartnerschaft verabschiedet. Nicht, weil das Unternehmen keinen Gewinn macht, sondern weil das Management mehr Gewinn machen will. Und das übrigens in einem ziemlich schwer zu durchschauenden Konstrukt, in dem die Manager sich de facto selbst kontrollieren, wie Kontext-Gastautor Manfred G. Lieb ausführlich erklärt.

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2 Kommentare verfügbar

  • Christoph Behrendt
    2 hours ago
    Reply
    Liebe Bosch‘ler, willkommen in der echten Wirtschaftswelt! Die heile, sozialorientierte Welt von Bosch wollten Stiftung, Treuhand und Geschäftsführung offensichtlich nicht mehr aufrechterhalten. „Vertrauen zerstören als Geschäftsprinzip“ titelte im November Autor Lieb unsachlich, denn Fakt ist…
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