In der Nachbarschaft hat sich sein Bürgermeisterkollege Andreas Zaffran (CDU) vom Solvay-Standort Bad Wimpfen eine ganz eigene Taktik zurechtgelegt: Auf die Kontext-Frage zum TFA-Themenkomplex hieß es zunächst, er könne da nicht so rasch antworten, sondern müsse erst seine Mitarbeiter befragen. Was einigermaßen seltsam klingt: Denn eine der Fragen lautete, wann er denn eine Bürgerinformation zu der Trinkwasserverunreinigung plane. Welche Mitarbeiter muss er denn da vorher fragen, ob er selbst dieses tun will oder nicht? Anmerkung am Rande: Der Gemeinderat ist, wie aus zuverlässiger Quelle bekannt, in nichtöffentlicher Sitzung über die TFAS-Kontimination informiert worden. Aber aus so einer Sitzung darf ja nichts nach außen dringen. Deshalb wissen es die Bürgerinnen und Bürger von Bad Wimpfen nicht. Und eine Bürgerinformation dazu ist nicht geplant. Man muss ja nicht unbedingt schlafende Hunde wecken.
Weitere Frage, jetzt an das Gesundheitsamt Heilbronn: Ob man denn bei den betroffenen Nutzern der Eigenwasserversorgung eine Blutuntersuchung vorgenommen habe? Schließlich handelt es sich ja um eine "Ewigkeitschemikalie", die höchstwahrscheinlich für immer im Körper bleibt. Also wäre es doch schon wichtig, in welcher Konzentration diese zurück geblieben ist. Antwort: Das habe man nicht gemacht. Ende der Mitteilung.
Ist Gesundheit egal?
Was bleibt, sind weitere Fragen – auch zum Umgang der Behörden mit diesem hochgefährlichen Stoff. Angefangen beim Grenzwert: Welcher gilt denn nun? Ursprünglich waren es 3 Mikrogramm TFA pro Liter, dann kam 2016 der Solvay-Schock in Edingen-Neckarhausen, bei dem ein Doktorand 20 μg/l feststellte (Kontext berichtete). Als klar wurde, dass die Einleitungen der Firma Solvay chemie verantwortlich waren, wurde der Grenzwert hochgesetzt. Erst auf 6, dann auf 10 μg/l. Aber das reichte immer noch nicht, also 30, nein, noch zu niedrig, gut dann eben 60 μg/l. Da war's dann endlich ok. Und das, obwohl das Umweltbundesamt, das zu dem 60er Wert mehr oder minder verdonnert worden war, in all seinen Publikationen klar fordert: höchstens 10 μg/l, besser aber deutlich weniger. Die Niederländer übrigens haben sogar 2,2 μg/l als absolute Grenze – alles darüber sei gesundheitsschädlich, sagen sie. Wie die Holländer halt so sind, konnte man da und dort hören – solange bis die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA nach neuesten Erkenntnissen über die Schädlichkeit von TFA plötzlich einen Grenzwert von 0,1 μg/l gefordert hat. Und dies wohlgemerkt Mitte des Jahres 2024. Also ganz aktuell. Trotzdem knallen bei den Trinkwasserversorgern in Bad Wimpfen und Untereisesheim die Sektkorken, weil man das Wasser dank Bodensee-Beimischungen mit 10 μg/l TFA (also dem 100-fachen) durch die Rohre zum Endverbraucher jagen kann.
Kein Wunder, dass die Regionalgeschäftsführerin Andrea Hohlweck vom BUND Heilbronn Franken klar und deutlich fordert: "Politik und Behörden müssen ihrer Verantwortung schnellstens gerecht werden, Menschen und Umwelt vor Schäden zu schützen. Es kann nicht sein, dass von den 10.000 Stoffen der PFAS-Produktgruppe nur knapp 20 gesetzlich reguliert werden, noch dazu mit Grenzwerten, die deutlich auf den Prüfstand gehören. Diese Entscheidungen von der wirtschaftlichen Lage abhängig zu machen oder auf die EU zu warten, ist falsch."
Eine solch engagierte Hinwendung zu Verbraucherschutz und Bürgernähe wäre dringlichst auch dem Landratsamt Heilbronn zu empfehlen. Denn während das in Sachen Solvay/TFA bislang eher fragwürdig operierende Regierungspräsidium nunmehr jede (wirklich jede!) Nachfrage von Kontext prompt beantwortet hat, war das beim Landratsamt nicht der Fall. Alle weiteren Erkundigungen, die dort aufliefen, gingen einen zähen Weg. Beispielsweise die Frage, ob denn inzwischen Bodenproben gezogen worden seien? Antwort: Das bedürfe aufgrund der Komplexität der Sachlage und der Zuständigkeiten noch der Absprache der beteiligten Ämter im Hause. "Eine Rückmeldung (...) kann ich Ihnen daher leider erst im Laufe des kommenden Mittwoch zusagen." Soso: "am Mittwoch", da wird es wohl klappen. Mittwoch? Nachtigall, ick hör dir trapsen! Der Pressesprecher des Landratsamts hat seine Hausaufgaben offenbar gemacht und recherchiert, dass Kontext ja immer mittwochs erscheint. Zu spät also fürs Einflechten in den Artikel. Ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt. Aber sei's drum: Denn Kontext wird ja auch am darauffolgenden Mittwoch erscheinen. Und am überübernächsten auch. Wir bleiben am Ball.
4 Kommentare verfügbar
Joachim Kappert
vor 2 Wochen