Es könnte vor zwei Jahren gewesen sein, erinnert sich Paul Sandner, als die "Internationale" auf dem Anrufbeantworter der Sova verstummte. Von einem Tag auf den andern sollten die "Verdammten dieser Erde" nicht mehr geweckt werden, wobei er nie erfahren sollte, warum. Auf Vermutungen angewiesen, konnte der Geschäftsführer des Stuttgarter Schmetterling Verlag nur annehmen, dass die Zeitläufte über das Liedgut der Arbeiterklasse hinweg gegangen waren, was auch der Sova nicht verborgen geblieben war. Sie war 1971 als "Sozialistische Verlagsauslieferung" gegründet worden mit dem Ziel, den Kapitalismus abzuschaffen.
Wehmut ist dabei, wenn der Altlinke aus der Stuttgarter Libanonstraße 72 A erzählt. Mehr als 35 Jahre haben er und sein Kompagnon Jörg Hunger mit dem Buchverschicker aus dem hessischen Maintal zusammen gearbeitet, mit all den anderen Klein- und Kleinstverlagen, die angetreten waren, jene Werke unters Volk zu bringen, die bei Bertelsmann & Co. durch den Rost fielen. Bei den Schmetterlingen dürfte das "Lumpenproletariat. Die Unterklasse zwischen Diffamierung und revolutionärer Handlungsmacht" dazugehören.
Wie berichtet, gibt es die sozialistischen Auslieferer nicht mehr. Das Herzstück des linken Buchhandels, der Link zu 4000 Läden, der Zwischenhändler und Kassier – alles Geschichte.
Groß war die Sorge, dass die Sova-Pleite auch das Ende jener 75 Verlage sein würde, die dort ihre Printprodukte lagerten. 60 Tonnen vom Tübinger Konkursbuch etwa, dessen Chefin Claudia Gehrke einfach nicht loslassen konnte von ihren Kindern. Eine Million Bücher ruhten zuletzt auf den Paletten – und fahren jetzt 500 Kilometer weit nach Norden, ins niedersächsische Rastede bei Oldenburg.
Der Retter, der einst bei Baaders Beerdigung war
Dort hat "Die Werkstatt" ihren Sitz, besser gesagt ihre Lagerhallen, wo die Stapel von 110 Verlagen nun noch Zuwachs von weiteren 40 bekommen. Die bekanntesten unter ihnen dürften taz/Reporter ohne Grenzen, Dietz-Verlag, Papyrossa und die Schmetterlinge sein. "Die Werkstatt" selbst steuert auch noch einen Verlag bei, der sich vornehmlich mit Fußball beschäftigt, nicht affirmativ, sondern ausgewiesen kritisch, womit alle beieinander sind, die sich irgendwie links von der Mitte verorten. Und unterm Strich gelten die Rasteder als Retter in der Not.
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