Kein Wunder. "Die Betriebsratswahl in diesem Jahr fand ich bizarr", berichtet ein jüngerer Mitarbeiter aus der Breuninger-Verwaltung, der seinen Namen nicht veröffentlicht sehen möchte. "Es gab mehrere Listen, wo vor allem leitende Angestellte kandidierten. Na, die wissen bestimmt nicht, was die Kolleginnen und Kollegen im Verkauf und im Lager brauchen." Eine Liste hätte beispielsweise für ein Job-Fahrrad plädiert. "Was soll jemand, der in Sachsenheim arbeitet, damit anfangen? Das Lager liegt am Arsch der Welt." Es hätte nur eine Liste – die von Verdi – gegeben, die tatsächlich mit typischen Arbeitnehmerthemen angetreten sei, wie gerechtere Löhne und geregelte Arbeitszeiten. "Die hatten auch einen Flyer mit Inhalten, die anderen haben Schokoriegel und so Zeug verteilt."
Ihm persönlich gehe es bei Breuninger gut, sagt er. "Aber der Laden ist eine Klassengesellschaft. Die Leute in der Fläche und im Lager werden extrem schlecht bezahlt." Dass die Arbeit dort hart ist, weiß er. Denn im Weihnachtsgeschäft werden Mitarbeiter:innen aus der Verwaltung "gebeten", zwei Tage im Verkauf oder im Lager auszuhelfen. "Dafür bekommt man dann den halben Heiligabend und den halben Silvestertag geschenkt, der ja eigentlich Arbeitszeit ist." Er habe in Sachsenheim an der Packstation gestanden. "Das ist ein extremer Knochenjob. Ich habe höchsten Respekt vor den Kollegen, die da jeden Tag schuften."
Die Schufterei bringt dem Unternehmen viel Geld, berichtet jüngst das Fachportal "Textilwirtschaft". Demnach ist Breuninger in der Rangliste der 25 größten Online-Modehändler der Republik um drei Positionen auf den sechsten Platz vorgerückt, weil es im vorigen Jahr "einen Online-Umsatz in Höhe von 600,1 Mio. Euro generiert" hat. Etwa doppelt soviel wie 2020. In diesem Jahr hat die Firma sogar ein halbes Monatsgehalt Weihnachtsgeld bezahlt. Das macht Breuninger manchmal. Aus Gnade. Vertraglich ist das nicht geregelt.
Im Betriebsrat kämpft die Handvoll der gewählten Verdi-Mitglieder derweil mit der Untätigkeit der arbeitgebernahen Betriebsratsmehrheit. "Der Kuschelkurs geht weiter", sagt Verdianerin Klara Dippert. Wochenlang gibt es keine Sitzung und an eine Betriebsversammlung kann sie sich nicht erinnern. Obwohl das Betriebsverfassungsgesetz vier im Jahr vorschreibt. Aber Gesetze scheinen in dem Stuttgarter Traditionshaus wenig zu interessieren.
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Stefan Kummerl
am 28.12.2022Vielleicht wäre es generell für die LeserInnen auch hilfreich, den jeweiligen biografischen/beruflichen Hintergrund der AutorInnen zu…