Zeit für seine Geschäfte und Wohltaten hat Wendelin Wiedeking vorerst weniger. 16 Beweisaufnahmetermine mit 19 Zeugen und einem Sachverständigen hat die 13. Strafkammer im Verfahren 13 KLs 159 Js 69207/09 bis Ende Januar kommenden Jahres angesetzt. Wiedeking hat bereits angekündigt, dass er nach seinen Einlassungen zum Prozessauftakt den Fortgang des Verfahrens schweigend verfolgen wird.
Die Anklage der Staatsanwaltschaft
Den Vorwurf der Marktmanipulation begründet die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift. Um die Milliarden für den kühnen Plan an der Börse zu beschaffen, sollen Wiedeking und Härter die VW-Mehrheitsbeteiligung im Jahr 2008 in fünf Fällen mit "unrichtigen Mitteilungen" in Interviews und Kommuniqués dem "verständigen Marktteilnehmer verschleiert" haben. Sprich, Investoren belogen haben, um den Kurs der VW-Aktie in ihrem Sinne zu beeinflussen.
Mit einer Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 sollen die beiden dagegen den Kurs des Papiers bewusst nach oben getrieben haben. In der fraglichen Verlautbarung publizierte Porsche überraschend, seinen VW-Anteil auf 42,6 Prozent erhöht zu haben. Darüber hinaus gab das Unternehmen bekannt, weitere 31,5 Prozent der Konzernanteile über Optionen zu kontrollieren. Damit wäre Porsche insgesamt zu 74,1 Prozent an VW beteiligt. Weil das Bundesland Niedersachsen gleichzeitig 20 Prozent der Aktien hält, war auf dem Markt nur noch ein geringer Streubesitz von nicht einmal sechs Prozent verfügbar, was den Preis des VW-Papiers an den folgenden Börsentagen von 200 auf zeitweilig über 1000 Euro hochschnellen ließ.
Für den Ersten Staatsanwalt Heiko Wagenpfeil veröffentlichten die Angeklagten die Übernahmeabsicht bewusst zu diesem Zeitpunkt, um den Kursverfall der VW-Aktie zu stoppen. Die hatte in den Tagen zuvor die Hälfte ihres Werts eingebüßt. Je weiter die Notierung sank, umso mehr Geld musste Porsche wegen der laufenden Optionsgeschäfte der Frankfurter Maple-Bank überweisen. Durch die Nachschussforderungen sollen die Barreserven der Porsche SE Holding Mitte Oktober 2008 von 4,2 Milliarden auf 326 Millionen Euro zusammengeschmolzen sein. "Die verbliebenen liquiden Mittel wären innerhalb der nächsten zwei Bankarbeitstage verbraucht gewesen", so Staatsanwalt Wagenpfeil.
Die Börsenturbulenzen im Oktober 2008
So aber füllten Wiedeking und sein Finanzvorstand die Porsche-Kasse fast ohne Ende. Die VW-Beteiligung zahlte sich als Rekordbilanz im Geschäftsjahr 2007/2008 aus: Der Vorsteuergewinn erreichte 8,57 Milliarden Euro – wobei allein die VW-Anteile 6,83 Milliarden einbrachten. Im Kerngeschäft trat Porsche hingegen auf der Stelle, am Autobauen verdiente man in Zuffenhausen "nur" rund eine Milliarde Euro.
Andere Anleger dagegen, die auf fallende VW-Kurse gesetzt hatten, fuhren immense Verluste ein. Allein Hedgefonds sollen fast 15 Milliarden Euro verloren haben. Dramatisch verspekuliert hatte sich auch der schwäbische Unternehmer Adolf Merckle, der auch auf sinkende VW-Kurse aus war und mit Put-Optionen rund eine Viertelmilliarde Euro in den Börsensand setzte. Durch die Finanzkrise geriet auch Merckles Unternehmensgruppe in Schieflage, zu der damals der MDAX-Konzern HeidelbergCement und das Ulmer Pharmaunternehmen Ratiopharm gehörten. Merckle nahm sich wegen der Finanzprobleme am 5. Januar 2009 auf der Schwäbischen Alb das Leben.
Das Besondere am Stuttgarter Porsche-Prozess
Deutsch-Banker Jürgen Fitschen, Ex-Karstadt-Chef Thomas Middelhof: Immer wenn Wirtschaftskapitäne vor Gericht stehen, macht das Schlagzeilen. Auch zum Prozessauftakt gegen Wiedeking war das Medieninteresse gewaltig. Doch nicht nur Journalisten füllten die 120 Sitzplätze in Saal 1, dem größten des Gerichtsgebäudes. Auch etliche Staranwälte, zu deren Mandantschaft Hedgefonds zählen, saßen im Publikum und schrieben mit, was Angeklagte und Verteidiger sagten. Denn dem Stuttgarter Prozess wird Signalwirkung zugeschrieben auf Verfahren vor dem Landgericht Hannover, in denen "Heuschrecken" rund zwei Milliarden Euro Schadenersatz von der Porsche SE Holding fordern. Aus diesem Grund ist das Unternehmen in Stuttgart auch als Prozessbeteiligter zugelassen, obwohl es selbst nicht unter Anklage steht.
2 Kommentare verfügbar
Fred Heine
am 31.10.2015