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Die Rechten vom Maidan

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Rechtsextreme haben beim Protest auf dem Maidan nicht nur kräftig mitgemischt, sondern auch profitiert: Mitglieder der Allukrainischen Partei Swoboda (Freiheitspartei) haben in der neuen Regierung der Ukraine Schlüsselpositionen übernommen. Swoboda und weitere ukrainische Rechtsextremisten pflegen seit Jahren freundschaftliche Kontakte zur NPD.

Swoboda ist chauvinistisch ausgerichtetet und orientiert sich ausschließlich an den Interessen ukrainischstämmiger Staatsbürger. Die Partei hält Russen wie Juden für Okkupanten. "Die Ukraine den Ukrainern" lautet die Swoboda-Losung. Propagiert wird die "Ukrainisierung" der Gesellschaft hinsichtlich der Sprache, der nationalen Symbolik und der christlichen Traditionen. Swoboda hat bei den Parlamentswahlen am 28. Oktober 2012 mit strikt antirussischem Kurs und Hetze gegen Juden, Roma, Homosexuelle 10,4 Prozent erzielt. In der Partei sind Aktivisten diverser rechtsextremer Organisationen wie "Varte Rukhu", "Bratsvo", "OUM" und der "Ukrainischen Afghanistan-Veteranen" vertreten. Der Jüdische Weltkongress hat Swoboda als neonazistisch eingestuft und fordert ein Verbot.

Swoboda wurde 1991 unter dem Namen Sozial-Nationale Partei der Ukraine (SNPU) gegründet. Die begriffliche Nähe zu Hitlers Nationalsozialisten war bewusst gewollt. 1994 wurde die Partei umbenannt. Die Namensänderung erfolgte, um mit gemäßigteren Tönen nach dem Vorbild der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) neue Wählerschichten zu erschließen.

Seit Beginn der Proteste gegen Viktor Janukowitsch im Herbst 2013 war Swoboda einer der wichtigsten Akteure auf dem Kiewer Maidan. In der neuen Regierung ist Swoboda mit mehreren Parteimitgliedern vertreten. Vizepremier der Kiewer Regierung ist Swoboda-Stellvertreter Oleksandr Sytsch. Andrej Parubi, "Kommandant" des Maidan, fungiert als Vorsitzender des ukrainischen Sicherheitsrats. Parubi war 1991 SNPU-Gründungsmitglied. Zu den SNPU-Gründern zählte auch Oleg Machnitzki, heute Generalstaatsanwalt. Das Amt des Landwirtschaftsministers hat Swoboda-Mitglied Igor Schwaika inne.

Rechte Pöbeleien gegen "jüdisch-russische Mafia"

Parteigründer und Führer von Swoboda ist der Arzt und Jurist Oleg Tjahnybok. Die Ukraine werde von einer "jüdisch-russischen Mafia" regiert, pöbelte er 2004. Als Tjahnybok wegen Volksverhetzung vor Gericht stand, wurde er von Machnitzki verteidigt. Im April 2009 initiierte Tjahnybok anlässlich des 66. Jahrestages der 1943 ins Leben gerufenen ukrainischen SS-Division "Galitschina" ("Galizien") die Aufstellung von Plakatständen in Lviv. Auf den Plakaten stand: "Die ukrainische Division Galazien. Sie hat die Ukraine verteidigt." In der Division "Galitschina" hatten rund 20 000 junge Ukrainer gedient, die sich freiwillig gemeldet hatten. Diese waren aktiv am Vernichtungskrieg gegen die ukrainischen Juden beteiligt, dem circa 1.5 Millionen Menschen zum Opfer fielen.

Swoboda verfügt über Anhänger in verschiedenen Staaten Europas und Nordamerika. Beziehungen pflegt die Partei unter anderem zu Frankreichs Front National, zu den italienischen Neofaschisten der Fiamma Tricolore, der British National Party und Jobbik in Ungarn. Auf europäischer Ebene bilden diese Parteien die "Allianz der europäischen nationalen Bewegungen".

Seit 2008 sind Kontakte zwischen Swoboda und der NPD bekannt. Es sind "eine generelle ideologische Unterstützung und eine gewisse Vorbildfunktion von Swoboda für die NPD festzustellen", konstatierte das Bundesamt für Verfassungsschutz in einer internen Studie vom Sommer 2013. Wenige Monate zuvor, am 29. Mai 2013, besuchte eine parlamentarische Delegation von Swoboda unter Leitung des Parlamentsabgeordneten Michail Holowko die NPD-Landtagsfraktion in Sachsen. Der damalige NPD-Bundesvorsitzende Holger Apfel würdigte Swoboda als "eine der bedeutendsten europäischen Rechtsparteien" und bekundete seinen Willen zur 'Intensivierung der Zusammenarbeit' beider Parteien und ihrer parlamentarischen Vertretungen auf allen Ebenen".

Apfel verkündete: "Ich habe mich sehr über den Besuch unserer ukrainischen Freunde gefreut und sehe gute Voraussetzungen, die Zusammenarbeit zwischen Nationaldemokraten und Swoboda im Hinblick auf unser gemeinsames Bestreben nach einem Europa der Vaterländer als Gegenmodell zur EU-Diktatur der Brüsseler Eurokraten, die nichts anderes sind als willfährige Erfüllungsgehilfen des internationalen Finanzkapitals, weiter auszubauen." Holowko, der die Grüße des Parteivorsitzenden Tjahnybok überbrachte, gab kund: "Vor unserem Parlamentseinzug hatten wir mit den gleichen Mechanismen zu kämpfen wie die NPD in Deutschland, jetzt kommt man nicht mehr daran vorbei, über uns zu berichten."

Freude bei der NPD über die rechten ukrainischen Freunde

Der Swoboda-Delegation sollte ursprünglich auch Sergij Nadal, Bürgermeister der westukrainischen Region Ternopil, angehören. Aufgrund anderer terminlicher Verpflichtungen konnte er nicht am Treffen mit der NPD teilnehmen. In einem Interview mit dem NPD-Parteiorgan "Deutsche Stimme" hatte Nadal im Vorfeld des Treffens betont, dass die "Expansion europäischer Interessen (..) mit der Hilfe der Ukraine bis an die Grenze Russlands weitergehen" und "nicht an der ukrainisch-polnischen Grenze haltmachen" dürfe. "Nur politischer Wille und geopolitische Absicht können in dieser Frage eine rote Linie setzen", so der Swoboda-Politiker. Bei den Kommnalwahlen im März 2009 wurde Swoboda mit knapp 35 Prozent stärkste politische Kraft im Raum Ternopil.

Swoboda gibt sich nach außen rechtspopulistisch, pflegt jedoch enge Kontakte zur militanten ukrainischen Neonazi-Szene – wie der 1990 gegründeten Bewegung UNA-UNSO (Ukrainische Nationalversammlung – Ukrainische Nationale Selbstverteidigung). Die antisemitisch ausgerichtete UNA-UNSO unterhält seit Jahrzehnten Kontakte zur NPD, bei denen es mehrfach zu bilateralen Besuchen kam. Bereits am 22. Mai 1996 schloss die NPD mit der UNA-UNSO einen "Partnerschafts- und Freundschaftsvertrag" ab und verpflichtete sich in einem Kooperationsabkommen zu Sachleistungen. "Gemeinsam müssen die Vaterländer über den Ural den Blick nach Osten richten, um den Artraum unserer Völker abzusichern", gab die NPD kund. "Damit reicht nunmehr die Auslandsarbeit der NPD von Madrid bis Kiew – ein Meilenstein in der Entwicklung der NPD", jubilierten die Rechtsextremisten in einer Pressemitteilung.

Vor Ort in Kiew waren für die NPD Wolfgang Nahrath, außenpolitischer Sprecher der NPD und langjähriger Bundesführer der Wiking-Jugend, und NPD-Sozialreferent Axel Schunk. In einem Grußwort wies der damalige NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt auf die partnerschaftliche Verbundenheit zwischen Deutschen und Ukrainern hin, die sich im Zweiten Weltkrieg in der Waffen-SS-Division "Galizien" fortgesetzt habe: "Ihr an den Grenzen Europas und wir unter dem Druck der US-Imperialisten müssen zusammenhalten, um dem Abendland seine alte Größe und Würde wiederzugeben. Und ich bin sicher: Gemeinsam schaffen wir es!" Die "Deutsche Stimme" frohlockte: "Vom befreiungsnationalistischen Standpunkt bis zu wirtschaftspolitischen Programmen decken sich die politischen Vorstellungen."

Bewaffnete Ausbildung deutscher Rechtsextremisten in der Ukraine?

Im August 1996 hielt sich erneut eine NPD-Delegation, geführt von Voigt, in Kiew auf, um die Kontakte zu vertiefen. Über die rund 8000 Mitglieder zählende paramilitärische UNA-UNSO wurde damals immer wieder in westlichen Medien berichtet, da sie sich am Kampf der tschetschenischen Separatisten gegen russische Truppen beteiligte. Verfassungsschützer befürchteten, dass deutsche Rechtsextremisten die Kontakte zur bewaffneten Ausbildung nutzen könnten. Am 27. November 1999 feierte die NPD unter dem Motto "Alles Große steht im Sturm" in München ihr 35-jähriges Bestehen. An der Veranstaltung nahmen circa 500 Rechtsextremisten teil, darunter Andrij Schkil, Vertreter von UNA-UNSO.

Vor der NPD hatten bereits Anfang der 90er-Jahre Neonazis um Frank Hübner, Bundesvorsitzender der 1992 verbotenen Neonazi-Truppe "Deutsche Alternative" (DA), Kontakt zu Gleichgesinnten in Kiew gesucht. Franz Schönhuber; Bundesvorsitzender der Republikaner, besuchte 1992 die Ukrainische Republikanische Partei. Sie zählte mit 10 000 Mitgliedern zu den größeren Parteien des neuen Staates. Verehrt wird von Swoboda der ukrainische Nationalist Stepan Bandera (1909–1959).

Der von der NPD als "Held des ukrainischen Nationalismus" gelobte Bandera stand ab 1941 an der Spitze der "Organisation Ukrainischer Nationalisten" (OUN). Deren militärischer Arm, die im Oktober 1942 gegründete "Ukrainische Aufstandsarmee" (UPA), kollaborierte im Zweiten Weltkrieg mit den deutschen Besatzern. Die UPA unter Führung von Roman Schuchewitsch ermordete in Westwolhyien mehr als 100 000 Polen, Tschechen und Juden. NS-Kollaborateur Schuchewitsch hatte im Juli 1941 an der Spitze des "Bataillons Nachtigall" das Pogrom an der jüdischen Bevölkerung in Lviv mit Wehrmachtseinheiten organisiert. Lviv war neben Krakow einst das Zentrum des galizischen Judentums.

Die UPA führte bis 1956 in der UdSSR Terroraktionen durch. Swoboda-Führer Tjahnybok verteidigt bis heute das verbrecherische Wirken der rechtsterroristischen UPA. In den vergangenen Jahren organisierte Swoboda mehrfach Ehrungen und Kundgebungen, um an den "heldenhaften" Kampf der UPA und der Waffen-SS-Division "Galizien" zu erinnern. So hat der Swoboda-Parlamentsabgeordnete Oleh Pankewitsch im Sommer 2013 an einer Zeremonie in Lwiw anlässlich des 70. Gründungstages der Waffen-SS-Division "Galizien" teilgenommen.

Melange aus Chauvinisten, Neonazis, Hooligans und Politschlägern

Am 22. März soll im Großraum Leipzig ein "Europakongress" der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten stattfinden. Neben Gleichgesinnten aus Griechenland, Italien, England, Schweden, Belgien, Dänen, Tschechien ist aus der Ukraine der paramilitärische und militant antikommunistische Rechte Sektor (Prawy Sektor) angekündigt. Hunderte Kämpfer dieser Melange aus Chauvinisten, Neonazis, Hooligans und Politschlägern hatten an vorderster Front auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz für gewalttätige Ausschreitungen gesorgt. Parteiführer Dmitrij Jarosch amtiert nun als Vizechef des nationalen Sicherheitsrats der Ukraine.

Das Ende der Revolution und die Übernahme von Regierungsposten durch Swoboda und Prawy Sektor wird zwischenzeitlich im rechtsextremen deutschen Lager eher skeptisch betrachtet. Die Partei "Die Rechte", eine Abspaltung der NPD, meint, dass in der Ukraine "lediglich die Ketten aus Moskau mit denen aus Brüssel und Washington getauscht" wurden. Ein sächsischer NPD-Funktionär postete bei Facebook: "Wir sehen hinter den Kulissen der Manipulationsmedien einen Umsturz in der Ukraine, welcher im Wesentlichen von den üblichen amerikanischen Revolutionsagenturen angezettelt, organisiert und finanziert wurde." Der ehemalige NPD-Chefidologe Jürgen Schwab wittert hinter den Aktivitäten von Swoboda das westliche Kapital: "Wahr ist auch, dass die Faschisten von'Swoboda' von Frank Walter Steinmeier während eines Treffens in Kiew hofiert wurden."

 

Anton Maegerle ist ein ausgewiesener Kenner der rechten Szene und im Besitz des größten Privatarchivs zum Thema Rechtsextremismus.  Der Journalist und Autor veröffentlicht seine Artikel, Sachbücher und Fernsehsendungen unter Pseudonym, da er wegen seiner beruflichen Tätigkeit mit Anfeindungen bis hin zu Morddrohungen von Neonazis ausgesetzt ist. Er arbeitet unter anderem für „Stern“, „Panorama“ und „Spiegel“.


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5 Kommentare verfügbar

  • Coriolan
    am 20.03.2014
    Antworten
    Eine interessante Analyse. Nur der Vergleich mit der österreichischen FPÖ ist an den Haaren herbeigezogen. Ich, Österreicher, bin wahrlich kein Freund von unseren heimischen Rechtspopulisten, aber die FPÖ agiert, wie es so schön heißt, innerhalb des Verfassungsbogens. Eine Partei wie Swoboda wäre in…
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