Normalerweise ist es doch so: Ein Verbrechen wird zu Ende ermittelt, dann werden die Beschuldigten angeklagt, und dann prüft ein Gericht deren Schuld. Nicht mehr und nicht weniger. Hier, in diesem großen, historischen NSU-Prozess, ist es anders. Die Ermittlungen sind noch in vollem Gange, bei Bundesanwaltschaft, BKA, Landeskriminalämtern, parlamentarischen Untersuchungsausschüssen. Immer neue Erkenntnisse, aber auch neue Fragen – und dennoch wird gegen fünf Angeklagte zu Gericht gesessen: Beate Zschäpe (wegen Mittäterschaft), Ralf Wohlleben, André Eminger, Carsten Schultze und Holger Gerlach (alle wegen Beihilfe). Ermittlung und Wahrheitsfindung parallel – das ist ziemlich einmalig.
Es geht mindestens um zehn Morde, einen großen Kofferbombenanschlag, zwei kleine Sprengfallenanschläge, Dutzende Verletzte, 15 Raubüberfälle auf Banken und einen Supermarkt, verübt zwischen 1998 und 2011. Drei Personen sollen die Täter gewesen sein: Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe. Sie sollen fast 14 Jahre lang aus der Illegalität heraus agiert haben, sich Nationalsozialistischer Untergrund genannt haben. Für ihre Täterschaft sprechen bisher nur Indizien, keine Beweise. Waren die drei tatsächlich die Täter? Die alleinigen Täter? Bei allen Taten? Die oberste Anklagebehörde der Bundesrepublik behauptet: ja.
Die Haupttäter sind tot – das ist bequem
Die zentrale und folgenreiche Maßgabe der Bundesanwaltschaft dabei ist: Die beiden Haupttäter waren Mundlos und Böhnhardt – und die sind tot. Wenn die Toten die Täter waren, muss man nicht weiter nach Tätern suchen. Also auch nicht nach möglichen Mitwissern in den Reihen des Verfassungsschutzes (VS). Genau das zeichnet sich aber seit über einem Jahr immer deutlicher ab: V-Leute und selbst VS-Beamte in bedenklicher Nähe zu den Taten. Das Interesse der Opferfamilien und ihrer Anwälte ist das glatte Gegenteil der Anklagekonstruktion der Bundesanwaltschaft. Sie wollen wissen, ob der Verfassungsschutz bei den NSU-Morden eine Rolle spielte. Sie formulieren es beispielsweise so:
Rechtsanwältin Edith Lunnebach, Nebenklage: "Die Behauptung, es sei das Trio allein gewesen, ist bisher nur eine These der Bundesanwaltschaft. Wir gehen von einem größeren Zusammenhang, einer gefährlicheren Gruppe, inklusive V-Leuten aus. Darüber muss hier verhandelt werden."
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Tillupp
am 23.08.2013