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Franz.K in Reutlingen

Mit Preisen bedacht und vom Rotstift bedroht

Franz.K in Reutlingen: Mit Preisen bedacht und vom Rotstift bedroht
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Das Franz.K ist ein Ort außergewöhnlicher Kulturveranstaltungen, es wird ausgezeichnet, die Gäste lieben es. Und dennoch sieht das Soziokulturelle Zentrum in Reutlingen sorgenvoll in die Zukunft. Wegen des Geldes und einer Stadtbahntrasse.

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Feministischer arabischer Elektropop, Demokratiekonferenz, Kleinkunstfestival, gemeinsames Singen – im Franz.K in Reutlingen dürfte nahezu jede:r etwas Interessantes, Amüsantes, Anregendes finden. In der Straße Unter den Linden hinter dem Bahnhof, am Rande der Innenstadt, geben sich große und kleine Namen der Musikszene die Klinke in die Hand, kommt die Kultur am Rande ebenso zum Zug wie die große Party, wird diskutiert, Theater und Kabarett gespielt. Seit 18 Jahren existiert das Franz.K, hat sich behauptet mit vielseitigem Programm. In dieser Woche wurde das Soziokulturelle Zentrum doppelt ausgezeichnet. Doch angesichts der kommunalen Finanzkrise blicken die Macher:innen sorgenvoll in die Zukunft, sie wissen nicht, ob die öffentlichen Zuschüsse bleiben und auch die neue Stadtbahntrasse könnte dem Franz.K gefährlich werden.

Die Geschichte des Franz.K beginnt 1983. Damals entstand das Café Nepomuk in der Reutlinger Burgstraße. Um das Nepomuk hatte sich eine Gruppe von Künstler:innen und Kulturschaffenden gesammelt, die einen Ort für Kultur in der Stadt wünschten. Ein altes Kino, Überbleibsel der Zeit, in der Reutlingen französische Garnisonsstadt war, befand sich im Besitz der Stadt, wurde von ihr sporadisch für Veranstaltungen genutzt. Gemeinsam mit dem selbstverwalteten Zentrum Kulturschock Zelle besetzte der Kulturverein Nepomuk das alte französische Kino. Die Stadt Reutlingen lenkte schließlich ein, ab 1993 agierten Cafébetrieb und Kulturverein parallel im ehemaligen Casino des Kinos.

Bedarf an eigenständigen Kulturräumen bestand jedoch weiterhin. 2006 brachte ein Bürgerentscheid die Pläne des damaligen Reutlinger Bürgermeisters Stefan Schultes (CDU) zum Kippen. Schultes hatte ein überdimensioniertes Kultur- und Kongresszentrum geplant. An dessen Stelle trat der "Dreiklang" der Reutlinger Kultur, in dem das Franz.K neben der neuen Stadthalle und dem Neubau des Theaters Tonne seinen Platz fand. Das alte Kino wurde umgebaut mit geringstem Aufwand, einem Budget von 1,5 Millionen Euro, weitere 800.000 Euro kamen als Landeszuschuss zur Soziokultur.

Corona führte zum Echazhafen

"Wir haben hart darum gekämpft", sagt Claudia Heldt. Sie war von Anfang an mit dabei, bildet heute gemeinsam mit Sarah Petrasch das Team der Geschäftsführung des Franz.K. Eingangs wurde das Kulturprogramm im Franz.K getragen von mehreren regionalen Gruppen: dem Theater Sturmvogel, dem Figurentheater Tübingen, dem Umsonst-und-Draußen-Festival KuRT, der Kleinkunstgruppe Weltenhopser. Alle Gruppen haben längst einen anderen Ort gefunden oder sich aufgelöst. Das Franz.K – vollständig lautet der Name "Franz.K – Kulturzentrum im alten französischen Kino" – ist heute ein gemeinnütziger Verein mit etwa 650 Mitgliedern, geschäftsführendem Vorstand und 16 hauptamtlichen Mitarbeiter:innen auf 11,5 Stellen. Hinzu kommen derzeit zwei Auszubildende im Bereich Marketing und Technik, ein Bufdi und gut 100 ehrenamtliche Helfer:innen. Der Jahresetat beläuft sich auf zwei Millionen Euro, 29 Prozent kommen von der Stadt, als Soziokulturelles Zentrum erhält es vom Land Baden-Württemberg für jeden Euro der kommunalen Förderung weitere 50 Cent. Zu 60 Prozent finanziert sich das Franz.K also selbst.

Wie alle Kultureinrichtungen brachte Corona das Franz.K in eine schwierige Situation. Da passte es, dass eine Open-Air-Spielstätte in Reutlingen auch von städtischer Seite schon lange gewünscht wurde. Ein Architektenwettbewerb fand statt, das Franz.K bot seine Unterstützung an – und die Stadt überließ dem Soziokulturellen Zentrum die Umsetzung. Nach schwierigen Verhandlungen stemmte der Verein das Projekt schließlich mit einer Anschubfinanzierung in Höhe von 50.000 Euro durch die Stadt. Den Rest der notwendigen Investition von 375.000 Euro leistete das Franz.K. In nur acht Wochen entstand die Spielstätte am Echazhafen, unmittelbar hinter dem Gebäude des ehemaligen französischen Kinos. "Beim ersten Konzert war das Dach der Bühne noch nicht fertig", erzählt Claudia Heldt. "Als die Stadtverwaltung kam mit der Feuerwehr und dem Ordnungsamt, um das Gelände abzunehmen, arbeiteten die Schweißer noch an der Schallschutzwand." Alles, was die behördlichen Besucher zu bemängeln hatten, war, dass ein Techniker eine Lautsprecherbox an einer Platane angebunden hatte: "Die Bäume durften wir nicht anrühren."

Das Franz.K verfügt heute mit dem Echazhafen (Eigenschreibweise: echaz.Hafen) über eine Außenspielstätte, die rund 2.500 stehenden Gästen Platz bietet, einen Saal für rund 600 Besucher sowie mehrere kleine Indoor-Räume. Es vermietet, organisiert selbst etwa 270 Veranstaltungen im Jahr mit insgesamt 50.000 Besuchern, von denen 20.000 auf den Echazhafen entfallen.

Preise und Probleme häufen sich

Am vergangenen Montag, 17. November 2025 nahm Sarah Petrasch in der Münchner Muffathalle den Applaus-Award der Initiative Musik entgegen. Tags zuvor hatte das Franz.K in Mannheim den Popländ-Award des Landes Baden-Württemberg für sein Musikprogramm erhalten. Viel Lob also für das Soziokulturelle Zentrum. Das freut auch die Stadt Reutlingen. Dort ist die frühere Gleichgültigkeit gegenüber einer Kulturarbeit, die nicht in erster Linie profitabel sein will und sich nicht ausschließlich ans gesetzte bürgerliche Publikum wendet, einer Anerkennung gewichen. Auch Mitarbeiter:innen der Stadtverwaltung verbringen Abende im Franz.K. Zwischen der Anerkennung und der politischen Situation aber tut sich eine Kluft auf. "Die Verwaltung", sagt Claudia Heldt, "ist uns sehr wohlgesonnen. Trotzdem legt sie uns nicht Steine in den Weg, sondern Felsbrocken."

Ein großer Stein könnte die Regional-Stadtbahn sein. Ohne Vorwarnung oder gar Absprache veröffentlichte Reutlingen im Frühjahr 2025 Pläne für eine Trasse, die direkt über den Echazhafen verläuft, die das Aus für die Open-Air-Spielstätte bedeutet hätte. "Dass diese Pläne veröffentlicht wurden, ohne dass wir zuvor von ihnen wussten, haben wir als einen Angriff empfunden. Wir waren geschockt. Wir sind auf die Barrikaden gegangen, wir haben eine Petition aufgestellt", sagt Claudia Heldt. Mittlerweile liegen alternative Pläne für die Stadtbahn vor. Eine mögliche Trasse, die zum Betriebshof der Bahn am Franz.K vorüber führen soll, wird jedoch das Gelände schneiden, das als Fluchtweg für den Echazhafen benötigt wird, eine andere mögliche Trasse das Franz.K von drei Seiten umschließen. Mitte Dezember entscheidet der Gemeinderat, wo die Trasse verlaufen soll.

Alle warten auf den städtischen Haushalt

Eine zweite große Sorge für der Franz.K-Macher:innen ist die Planungsunsicherheit. Das Kulturzentrum befindet sich in einem Stadtbezirk, in dem es nicht immer genügend Strom gibt. Pläne zum Bau einer Trafostation wurden von der Stadt nicht umgesetzt. Das führt zu kritischen Situationen vor allem im Echazhafen, denn dort wird Strom gebraucht für die Bands, ihre Sound- und Lichtanlagen, aber auch für die Gastronomie: "Wenn einer eine Lampe mehr anschaltet oder noch eine Fritteuse mitbringt, fliegt bei uns der Sicherungsschalter raus."

Das Franz.K plante Solarpaneele an der Schallschutzwand des Hafens, um so einen Teil seines Strombedarfs abzudecken. Zur Amortisierung wäre eine Perspektive von zehn Jahren notwendig, die Stadt Reutlingen stellt derzeit nur eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses auf drei Jahre in Aussicht.

Schwierig ist die Lage zudem, weil das benachbarte Café Nepomuk vor etwa einem Jahr pleite ging. Vielleicht auch, weil in die Küche seit 30 Jahren nichts investiert wurde. Damit fehlen dem Franz.K Einnahmen, denn es hat das Café unterverpachtet. Zwar gab es im Sommer eine Zwischenpächterin des Biergartens (ohne Küche) und die Stadt Reutlingen hat durch eine Minderung der Pacht geholfen, das Kulturzentrum muss jedoch weiterhin für die Beheizung der Räume aufkommen. Zur Erneuerung der Lüftung im Café bot das Franz.K an, die Pacht, die es der Stadt bezahlt, für eine Vorfinanzierung zu verwenden. "Aber nun sagt die Stadt: Wir haben kein Geld mehr. Seit Wochen liegt alles auf Eis", sagt Claudia Heldt.

Und dann kommt noch die allgemein schlechte finanzielle Lage der Kommunen. Auch in Reutlingen bangen die Kulturinitiativen um ihre künftige Finanzierung. Mitte Dezember wird der Entwurf des Doppelhaushalts 2026/27 erwartet. Was geschieht, wenn die Stadt ihre Zuschüsse kürzt? "Das wäre schlimm, denn das würde auch die Kürzung der Landesmittel bringen", sagt Sarah Petrasch. Der Landesverband der Soziokulturellen Zentren kämpft dafür, dass die Mittel des Landes auf demselben Niveau bleiben, auch wenn die kommunalen Zuschüsse gekürzt werden. Bis auf Weiteres aber bleibt die Existenz der Zentren von den Kommunen abhängig. Was, wenn die Kürzungen kämen? "Wir könnten dann nur noch Veranstaltungen machen, zu denen viele Leute kommen", sagt Claudia Heldt. "Aber unser Anspruch ist ein anderer. Wir wollen verschiedenen Arten von Kultur Raum bieten und die Leute neugierig machen auf Dinge, die sie noch nicht kennen. All das, wofür wir heute ausgezeichnet werden, sollen wir morgen vielleicht schon streichen. Aber das wollen wir nicht. Wir wollen ein Franz.K, das den Namen Soziokulturelles Zentrum weiterhin verdient."

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