Auf den ersten Blick ist Reinhard Sorgs Haus so etwas wie der Traum eines Landleben-Stylisten: klassischer Schwarzwald-Look, auf der Terrasse neben der Tür lehnen an der holzverschindelten Fassade zwei Reisigbesen und eine Sense. Ist das nicht ein bisschen viel der Deko? "Nein", lacht Sorg, "an diesem Hof gibt es keine Dekoration. Die beiden Besen sind zum Fegen da, und mit der Sense habe ich gerade noch die Lupinen bekämpft." Lupinen bekämpft? Als naiver Stadtmensch glaubt man, sich verhört zu haben. Doch die Blütenpracht rings ums Haus ist eingeschleppt, sie verdrängen einheimische Arten wie die Wildorchideen.
Daher die Sense, und wegen Sorgs Faible fürs Authentische. Das hat ihn hierhergetrieben, auf einen rund 1.000 Meter hoch gelegenen Granitbuckel im Schwarzwald, wo Bauern ums Jahr 1650 ein zunächst bescheidenes Hirtenhaus bauten. Damals war Rembrandt auf dem Zenit seines Ruhms, Ludwig XIV. ein Teenie, und in Venedig begann der Bau des Hauses Pesaro. Auf dem windigen Höhenzug bei Triberg reichte es immerhin für ein Holzhaus in der ortsüblichen Bauweise, an der südöstlichen Ecke von einem großen Barock-Kruzifix beschützt. Was die Standfestigkeit des Gebäudes anging, haben sich die Einheimischen nie allein auf den Allmächtigen verlassen. Die Bauweise der Schwarzwaldhäuser mit ihren gewaltigen, tief gezogenen Dächern ist ein Kapitel bäuerlicher Baukunst für sich. "Die riesigen Flächen dürften eigentlich den Stürmen hier oben gar nicht standhalten", erklärt Sorg, "erst in Windkanal-Versuchen mit Architekturmodellen hat sich der Trick gezeigt: Weil die Häuser quer zur Hauptwetterrichtung stehen, bildet der Wind hinter dem Giebel einen Wirbel. Der stabilisiert das Dach, statt es wegzureißen."
2 Kommentare verfügbar
Ko.Jo.Te
am 10.10.2021Winters war oft…