Aber die AfD findet ihre Wähler und Wählerinnen. Warum?
Da kommt dann immer so reflexartig, ja, wir müssen nur die Probleme lösen und dann wird die AfD schon weniger gewählt. Aber die AfD generiert ja immer Antworten, die nicht Teil des demokratischen Konsens' sind. Ich habe jahrelang im Bereich Wohnen gearbeitet: Die Mieten wachsen den Leuten über den Kopf. Die Menschen können sich Wohnen nicht mehr leisten. Das ist eine existenzielle Bedrohung, wenn wir teilweise Mietbelastungen haben von 48 bis 49 Prozent bei Alleinerziehenden, älteren Leuten, Azubis und Student:innen. Dann kann ich in der Politik sagen, ich mache eine Mietpreisbremse, ich sorge für Mietendeckel, ich versuche mehr Wohnungen zu bauen, ich versuche Kommunen dazu zu bringen, dass sie keine Einfamilienhausgebiete, sondern Geschosswohnungsbau ausweisen. Das kann ich alles machen. Aber das dauert. Und es steht immer eine AfD daneben, die sagt, es müssen nur einfach weniger Leute ins Land kommen, dann sind genügend Wohnungen frei.
Apropos Wohnen: Können Sie mir erklären, warum keine Landesregierung es bislang geschafft hat, für bezahlbare Mieten zu sorgen?
Wenn man in dem Riesenbereich was erreichen will, darf man sich nicht nur nebendran stellen und sagen, macht mal, sondern man muss selbst ins Ruderboot einsteigen. Ich bin echt dafür, dass es eigene Landeswohnungen gibt. Das wäre für mich das A und O. Eine Landeswohnungsbaugesellschaft. Dafür muss man erkennen, dass es der Markt grundsätzlich nie richten kann, der Markt ist nicht die Lösung. Beim Wohnen ist der Markt ein großes Problem. Deshalb muss man ihn wortwörtlich zivilisieren. Wenn privates Geld ins Wohnen investiert wird, kann das immer nur eine Säule sein in einer ganz starken, genossenschaftlichen und öffentlich dominierten Branche, die insgesamt die Kosten dämpft. Anders geht es nicht.
Es fehlt also die politische Bereitschaft, sich mit voller Kraft dem Thema zu widmen?
Ja. Dadurch, dass wir nur ganz wenige staatliche Gesellschaften und Genossenschaften haben, haben wir einen umgekehrten Effekt. Der Privatmarkt treibt die Mieten nach oben und die anderen hinken hinterher. Es muss gerade umgekehrt sein. Man kann sagen, es ist lächerlich, wenn man permanent Wien erwähnt, aber Wien macht es halt anders. Die haben auch privates Kapital in der Wohnungswirtschaft, aber die sagen, bei uns ist die Hälfte öffentlich. Und damit dämpfen wir insgesamt die Preise. Das Grundproblem bei uns ist diese Marktgläubigkeit, die hat sich so tief reingefressen in viele Bereiche der Politik.
Auch in die SPD?
Naja, wir haben das jahrelang mitvertreten. Aber wir haben als SPD im Land einen klaren Beschluss, dass wir eine Landeswohnungsbaugesellschaft wollen. Am Konzept Landeswohnungsbaugesellschaft habe ich sehr intensiv mitgearbeitet. Auch wenn ich jetzt nicht mit am Wahlprogramm arbeite, weil die Gremien mir mitgeteilt haben, ich sei eine Belastung für den Wahlkampf. Deswegen bin ich auch nicht mehr auf der Liste. Jeder, der nach meiner vermaledeiten Aktion Daniel Born furchtbar findet, kann jetzt trotzdem die SPD wählen.
Was werden Sie denn am 8. März wählen?
Natürlich die SPD! Ich habe mein Leben lang die SPD gewählt. Ich habe meinen ersten Wahlkampfauftritt im Alter von einem Jahr gehabt. Ich kann Ihnen das Foto zeigen. Meine Eltern haben den Babywagen mit mir komplett beklebt mit Helmut Schmidt-Bildern. Und so bin ich in 1976 in diesen Wahlkampf geschoben worden.
Was werden Sie nach dem 8. März machen?
Das weiß ich noch nicht. Jetzt muss ich mir erst mal überlegen, wie mach ich das als fraktionsloser Abgeordneter, das ist für mich eine echt schräge Situation. Ich habe jetzt zwei parlamentarische Initiativen auf den Weg gebracht, weil ich meine Abgeordnetenarbeit ja weiter machen will. Da geht es um die Finanzierung von frühkindlicher Bildung und bei der anderen sind Jugendgemeinderäte auf mich zugekommen, ob im Staatswald Mountainbike-Trails oder Ähnliches möglich sind. Das ist die Vielfalt der Abgeordnetentätigkeit.
Ansonsten haben Sie noch keine Pläne?
Nein. Gestern habe ich zwei Wahlkreisbesuche gemacht. Das mache ich echt gerne und da habe ich dann schon gemerkt, dass es hart für mich wird, wenn ich das nicht mehr machen kann. Ich glaube auch, dass ich ein guter Abgeordneter bin. Und dann zu denken, jetzt endet das, ist schon hart und bitter. Klar, das gehört zur Demokratie dazu, aber es war ja anders geplant. Ich stand auf Platz fünf der Landesliste. Auf jeden Fall bleibe ich der Demokratie erhalten, ich bleibe mein Leben lang Sozialdemokrat und ich bleib dem Kampf gegen rechts erhalten. Ich will und ich weiß, wir werden als inklusive weltoffene Gesellschaft gewinnen und ich werde weiter alles dafür tun.
Die "Welt" berichtet, dass Ihr Partei- und Fraktionsvorsitzender Andreas Stoch von einem "Weg zurück" spricht, aber darauf beharrt, dass Sie Ihr Mandat abgeben. Und er sagt, er sei mit Ihnen in Kontakt. Glauben Sie nun, wieder in die Politik zurückkehren zu können?
Ich schätze und mag Andreas sehr und genieße jedes Gespräch mit ihm. Auch jetzt in dieser schwierigen Zeit. Aber Rückkehr in die Berufspolitik? Mal ehrlich: Im nächsten Jahr sind die Landtagswahlen und da haben mir die Führungsgremien eindeutig gesagt: nicht mit dir! Damit bin ich nächstes Jahr raus. Und wer soll denn dann in ein paar Jahren laut nach mir rufen? Die SPD hat sehr viele talentierte Menschen. Der Blick auf die Realität sagt mir, dass mein Weg nächstes Jahr zu Ende ist.
In der FAZ stellte sich an diesem Wochenende Ihr Genosse Peter Friedrich – Ex-Generalsekretär der hiesigen SPD – auf Ihre Seite und rechnet mit Muhterem Aras, der SPD und – verständnisvoll – auch mit Ihnen ab: Aras hätte den Stimmzettel nicht öffentlich zeigen dürfen, erst das sei eine Straftat. Die SPD hätte ihre Abgeordneten nicht drängen dürfen, sich zu erklären, Stichwort Wahlgeheimnis. Ihr Rückzug aus der Fraktion und von der Landesliste sei eine Überreaktion; und seitens der SPD den Mandatsverzicht zu fordern, sei angesichts all dessen unangemessen. Wie bewerten Sie die Ausführungen?
Wir haben eine gute Landtagspräsidentin und ich war vier Jahre stolz darauf, ihr Stellvertreter sein zu dürfen. Das tickt noch in mir und darum gilt für mich weiter: Ich äußere mich nicht öffentlich zu Fragen nach Muhterem. Zur SPD: Die Parteigremien haben nach meinem Rücktritt weitergehende Schritte verlangt. Wenn ich das genauso gesehen hätte, hätte ich es gleich selbst gemacht.
13 Kommentare verfügbar
Werner
vor 6 StundenDennoch, wenn ich so lese was der Herr Born für Vorstellungen mit der Landeswohnungsbaugesellschaft und dem sozialen Wohnungsbau hat, da muss ich sagen dass dies schon sehr klar, durchdacht und machbar erscheint. Er kommt mit ziemlich konkreten…