Die Frage führt aufs Glatteis: Wie es zu bewerten sei, will ein Journalist auf der Pressekonferenz der baden-württembergischen Landesregierung wissen, dass "die GDL die Bahn und die Bahnreisenden in ihrer Faust hält". Ausgerechnet Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), der seit vielen Jahren schlechte Erfahrungen mit der Deutschen Bahn macht, lässt sich davon zu der Behauptung verleiten, dass die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) nicht kompromissbereit sei. Dass jeder neue Ausstand damit begründet wird, die eigenen Forderungen nicht zur Gänze durchgesetzt zu haben. "Ich glaube, es ist genug", meint der zum linken Spektrum der Grünen zählende Ex-Studienrat.
Parteifreund Robert Habeck geht noch weiter. Zu weit eigentlich für einen Bundeswirtschaftsminister, der von Amts wegen Perspektiven und Interessen beider Tarifparteien im Blick behalten soll. Deutschland könne sich gegenwärtig nicht leisten, dass "ein bisschen zu viel für immer weniger Arbeit gestreikt wird", sagt er. Er läuft auch nicht Gefahr, durch besondere Detailkenntnisse aufzufallen. Dabei zeigt gerade diese massive Auseinandersetzung bei der Bahn, wie sehr sie vonnöten wären.
"Äußerst giftiger Beipackzettel"
So ist die Ansicht weit verbreitet, die beiden sogenannten Moderatoren Daniel Günther, Ministerpräsident in Schleswig-Holstein, und der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière (beide CDU) hätten einen mehr als akzeptablen Kompromiss im Streit zwischen GDL und DB präsentiert. Er umfasst 22 Punkte. Viele wichtige Vorschläge zur Entgelterhöhung oder der Laufzeit von mindestens zweieinhalb Jahren, zu den Urlaubswahlmodellen oder zur Belastung an Wochenenden entziehen sich einer oberflächlichen Beurteilung. Schon in der Überschrift ist jedoch eine leicht fassliche Botschaft versteckt. Sie richtet sich nicht an die DB, sondern an die "AGV MOVE", den Arbeitgeberverband der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister. Mit 28 der 50 darin organisierten Eisenbahnunternehmen hat die Gewerkschaft die 35 Stunden ab 2028 bereits vereinbart. Diese Tarifverträge werden aber nur gültig, wenn auch die Bahn dabei mitmacht.
Außerdem hat die Bahn, wie Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) kritisiert, "dem Ganzen nach Abschluss der Moderation einen äußerst giftigen Beipackzettel beigefügt". Der einstige Gewerkschafter bringt Erfahrungen als Schlichter mit und die Bereitschaft, sich in die Details zu knien: "Die Beschäftigten sollen sich die Arbeitszeitverkürzung mit Verschlechterungen bei ihrem Urlaubsanspruch oder mit einem Schichtsystem bei Cargo erkaufen, was selbst ich als Zumutung empfinde." Die Bahn habe nach Moderationsende das Verhandlungsergebnis verändert und noch an anderer Stelle Vertrauen gebrochen, etwa durch den Bruch des Stillhalteabkommens. Die sogenannte "Pause in der öffentlichen Kommunikation" wurde vom Arbeitgeber Bahn nicht eingehalten.
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bedellus
am 21.03.2024