Über den Aschermittwoch kann Weber hingegen nur vom Hörensagen berichten. Zur Erhellung will er kaum beitragen, gerade während der fraglichen gut fünf Stunden, in der Hunderte Riesentraktoren die drei Zufahrten zur Halle völlig zustellen konnten.
Stattdessen verirrt er sich vor Medienvertreter:innen in einer Vielzahl von Behauptungen. Etwa der, dass die Einsatzkonzeption "absolut richtig" und es "sicherlich zu keinen bewussten und gewollten Blockadeaktionen" gekommen war. Vielmehr seien alle Traktoren im ihnen zugewiesenen Parkraum abgestellt worden. Von der Polizei aus habe die Veranstaltung durchaus stattfinden können. Drei Stunden zuvor, bei einer spontanen Pressekonferenz am Vormittag, hatte allerdings kein Polizeibeamter die Verantwortung für die Veranstaltung mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Grünen-Parteichefin Ricarda Lang übernehmen wollen.
Gegen vier Uhr morgens mussten Polizisten die ersten Treckerfahrer in unmittelbarer Nähe des Veranstaltungsorts überreden, zu dieser nachtschlafenden Zeit doch ihre Tröten auszumachen, um die Einheimischen in den anliegenden Wohnstraßen nicht weiter zu belästigen. Gut zwei Stunden später waren die Straßen bereits mit den Riesenfahrzeugen vollgelaufen. Sogar die Wiese eines anliegenden Hotels bleibt nicht verschont – von wegen zugewiesener Parkraum. Die kurze Fritz-Lieb-Straße zur Biberacher Stadthalle ist da ebenfalls schon zugestellt, auch mit Lieferwagen – übrigens verziert mit AfD-Aufklebern. Selbst den etwa 50 Meter langen Weg zum Seiteneingang können Demonstrierende fluten, ohne dass Beamt:innen das verhindern wollen.
Nach Webers Zeitangaben im Innenausschuss waren ursprünglich 90 Beamte für Biberach eingeplant, um fünf Uhr morgens aber weitere Kräfte angefordert worden. Vorwürfe, ihr Eintreffen habe einfach zu lange gedauert, lässt der Spitzenbeamte nicht gelten: "Die Leute müssen erst einmal aufrüsten, das heißt sie müssen informiert werden. Und sie müssen anfahren, vom Präsidium Einsatz in Göppingen nach Biberach, das ist nun mal eine gewisse Strecke." Laut Routenplaner sind es exakt 65 Minuten.
Eine besonders skurrile Wendung nimmt die Ausschusssitzung, als Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl Kritiker:innen der Polizeiarbeit vorwirft, "aus dem bequemen Sessel ex post zu sagen, was man hätte besser machen können". Anders als der Innenminister waren der Grünen-Abgeordnete Oliver Hildenbrand, etliche Parteifreunde sowie zahlreiche Journalist:innen vor Ort und konnten sich in actu ein Bild machen. Zum Beispiel davon, dass entgegen Webers Aussage keineswegs ein Zugang zur Halle hätte freigeräumt werden können, zum Beispiel für den Ministerpräsidenten. Nie und nimmer wären die zu diesem Zeitpunkt etwa 200 Beamt:innen ohne Schutzausrüstung, die sich schlussendlich rund um die Halle aufhielten, dazu in der Lage gewesen – angesichts der laut Polizeipressemitteilung rund tausend Menschen vor der Halle, viele davon mit schwerem Gerät.
Kritik perlt am Innenminister ab
Strobls Einschätzung basiert auf "unzähligen Telefonaten", wie er erzählt. Und die könne er so zusammenfassen: Die einen Gesprächspartner meinten, die Polizei habe zu wenig unternommen, passiv herumgestanden und "die Störer einfach stören lassen". Die anderen wiederum beklagten robustes, geradezu martialisches Vorgehen und dass unschuldigen Bürgern Pfeffer in die Augen gesprüht worden sei – "bis hin zu der kruden These", es sei ein Polizist gewesen, der mit einem Schlagstock die Scheibe am Begleitfahrzeug von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir eingeschlagen habe. Letzteres ist sogar per Video widerlegt. Und die beteiligten Beamten nehmen für sich in Anspruch, keine unschuldigen Bürger besprüht zu haben.
Beides bringt den Innenminister aber nicht dazu, die an ihn herangetragene Kritik zu sortieren und selbst zu bewerten. Lieber versucht er ein äußerst seltsames Gleichgewicht zu konstruieren: Er ziehe "aus einer gewissen Erfahrung heraus und weil ich so was ja nicht zum ersten Mal erlebe" den Schluss, dass "eine derartige Bandbreite der Vorwürfe dafür spricht, dass die Polizei nicht alles verkehrt gemacht hat, sondern ihre Einschätzung unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vielleicht sogar richtig gewesen sein könnte".
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a dabei
am 01.03.2024