Schon der Zutritt ist schwierig. JournalistInnen, die über die Itec berichten wollen, werden in Akkreditierungsverfahren gezwungen, die Wochen dauern können. Denn der Veranstalter, die Londoner Firma Clarion Events, möchte es ganz genau wissen. Etwa, für welche Themenfelder sich der Berichterstatter interessiert, zum Beispiel elektronische Kriegsführung oder Waffentraining. Oder auch auf welche Kontinente die Organisation, für die man arbeitet, in näherer Zukunft expandieren möchte. Wenn diese Daten übermittelt sind, kommt die nächste Hürde: Der Zugang könne "nur bei einem Nachweis regelmäßiger Berichterstattung in Medien über Verteidigungs- und Sicherheitsthemen oder verwandten Themenfeldern erteilt" werden, heißt es Tage später per E-Mail. Wider Erwarten werden Kontext-Mitarbeiter zugelassen und können die Ausstellung in der Stuttgarter Landesmesse betreten.
Blickfang ist ein eigentümlicher Apparat. Die massive Konstruktion erinnert an einen Galgen, an einem gekrümmten Arm aus Eisen ist eine Weste befestigt. Getragen wird sie von einem erwachsenen Mann mit Stoppelschnitt, der wild um die eigene Achse rotiert. Er steht in einer konkav gekrümmten Kuhle, die seinen Füßen keinen Halt verleiht: Wie ein Pinguin auf dem Eis watschelt er mit schnellen, kleinen Schritten auf der Stelle, während er sich mit gefletschten Zähnen und angespannter Gesichtsmuskulatur an eine Gewehrattrappe klammert. "Yeah!", ruft der gute Herr freudig erregt, als er den Abzug betätigt und authentische Schusslaute erschallen. Ein digitaler Terrorist sackt blutend auf dem Bildschirm zusammen. Er stirbt ohne Schreie.
Hier auf der Militärmesse Itec in Stuttgart sind am frühen Dienstag Mittag, kurz nach der Eröffnung, vor allem die virtuellen Realitäten ein Besuchermagnet. Verschiedene Simulatoren ermöglichen es Interessierten, Kampfjets zu steuern, mit Leopard-Panzern auf Gebäude und Fahrzeuge zu feuern und als Soldat mit Sturmgewehr oder Panzerfaust feindliche Ziele zu eliminieren. "Real wirkt das Erlebnis nicht", sagt einer, der seit sechs Jahren Videospiele herstellt, "aber immersiv". Es habe eine riesige Sogwirkung und man steigere sich schnell hinein. Und das spart nicht nur Kosten für echte Munition.
Digitales Töten erleichtert den Übergang von Theorie zu Praxis
Immersives Training könne "Lernenden helfen, die Lücke zwischen einem akademischen Umfeld und der realen Welt zu überbrücken". Das erfährt der geneigte Gast am ansonsten eher unspektakulären Nato-Stand. Das transatlantische Bündnis ist auf der Itec als einer von gut 120 Ausstellern vertreten, was dem Messeveranstalter Clarion Events geradezu zwingend scheint. Schließlich seien seine Sicherheitsevents "anerkannt als das weltweit führende Forum, auf dem sich ranghohe Regierungsmitglieder und leitendes Militärpersonal näherkommen". Und dieses Podium nutzt die Nato für den expliziten Ratschlag, Schüler durch die Verwendung von Gaming-Elementen in Beschlag zu nehmen ("engage students by using gaming elements"). Die Trainingssimulatoren dienen demnach dazu, den Übergang von Theorie zur Praxis zu erleichtern. Und Videospiele als ein Türöffner.
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Nina Picasso
am 16.05.2018https://www.ohne-ruestung-leben.de/nachrichten/article/details-zu-den-protesten-gegen-die-militaermesse-itec-2018-in-stuttgart-224.html
15. bis 17. Mai 2018: Mahnwache vor der Messe Stuttgart. Während der gesamten Rüstungs- und…