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Bauers Uni-Maut

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Der Protest gegen Gebühren für ausländische Studierende wächst. Ex-Minister Andreas Stoch spricht von einem Tabu-Bruch, GegnerInnen gehen auf die Straße und auch das Lehrpersonal hält dagegen. Ministerin Theresia Bauer zeigt sich bislang unbeeindruckt.

Der ehemalige Kultusminister fährt schwere Geschütze auf. "Die Bauer-Maut ist ein Tabu-Bruch", schimpft Andreas Stoch und spannt gleich den großen Bogen. Die Studiengebühren für Ausländer hätten eine "fatale Signalwirkung", sagt der SPD-Fraktionschef; ähnlich wie Dobrindts Autobahnpläne würden sie nationalistisches Denken befördern. Und: "Wenn die Gebühren auf gesellschaftliche Akzeptanz stoßen, werden andere Bundesländer wahrscheinlich nachziehen." Bis hin zur "Wiedereinführung der allgemeinen Studiengebühren", was für den Sozialdemokraten ein "gewaltiger Rückschritt" bei der Bildungsgerechtigkeit wäre.

Das kann Theresia Bauer, die grüne Wissenschaftsministerin, so nicht stehen lassen. Allgemeine Studiengebühren schließe der Koalitionsvertrag aus, kontert sie, "und der gilt." Aber Vorsicht ist geboten. Noch im Oktober hat "Spiegel online" sie mit folgendem Satz zitiert: "Wenn die Bedarfe der Hochschulen am Ende größer sind, als der Staat sie allein zu finanzieren imstande ist, dann müssen wir auch darüber reden, wer wie weitere Beiträge leisten kann."

Die "Bedarfe" sind in der Tat auch durch die Bildungsausländer gestiegen. Rund drei Mal so viele Studierende kommen heute von außerhalb der EU an die Hochschulen Baden-Württembergs als noch vor 20 Jahren. Diese sollen, <link http: www.kontextwochenzeitung.de schaubuehne zahlen-fuers-malen-4002.html internal-link-new-window>wie in Kontext berichtet, ab Herbst 1500 Euro pro Semester zahlen. Allerdings geht nur ein kleiner Teil davon direkt an die Akademien – nämlich nur 300 Euro. Der Hauptbatzen von 1200 Euro soll Lücken im Landeshaushalt füllen helfen. Im <link http: mwk.baden-wuerttemberg.de fileadmin redaktion m-mwk intern dateien pdf landeshochschulgesetz external-link-new-window>Gesetzesentwurf heißt es dazu: "Der andere Anteil kommt den Hochschulen mittelbar zugute, indem er dem Land langfristig die notwendigen Spielräume für die Finanzierung der Hochschulen sichert."

Das klingt dramatisch, so, als sei die Zukunft der Universitäten und der Wissenschaft im Südwesten akut gefährdet. Tatsächlich geht es im Ministerium Bauer um 48 Millionen Euro, die eingespart werden sollen, bei einem Gesamtetat von 4,7 Milliarden Euro. Für Ex-Minister Stoch keinesfalls eine Summe, die "existenzbedrohlich" wäre. Den Haushalt auf Kosten der internationalen Studierendenschaft zu entlasten, hält er für den völlig falschen Weg – und er ist mit dieser Kritik nicht allein. Die FDP-Fraktion spricht von einem "unlauteren Motiv" und einer "ganz klaren Diskriminierung".

Proteste nehmen zu

Auch außerhalb des Landtags wächst der Widerstand. In Freiburg gingen am 26. November 600 überwiegend Jugendliche gegen die "Campus-Maut für Ausländer" auf die Straße. Auf dem Beteiligungsportal des Landes, wo BürgerInnen Gesetzesentwürfe kommentieren können, sind <link https: beteiligungsportal.baden-wuerttemberg.de de kommentieren lp-16 studiengebuehren-fuer-internationale-studierende-und-das-zweitstudium kommentar external-link-new-window>bislang 25 Stellungnahmen zu den geplanten Studiengebühren eingegangen – das Feedback ist überwältigend negativ. <link https: www.change.org p external-link-new-window>Eine Petition, die sich gegen den Vorstoß der Regierung richtet, hat fast 8000 UnterstützerInnen gefunden.

Selbst das Lehrpersonal macht inzwischen mobil. Vorneweg Cordula Güdemann und Holger Bunk von der Kunstakademie Stuttgart, die einem <link file:28967>ersten offenen Brief an Ministerin Bauer einen zweiten folgen ließen, diesmal unterschrieben von rund 80 KollegInnen. <link file:28968>Mehr als die Hälfte davon sind ProfessorInnen.

Darin betonen sie, wie sehr Hochschulen vom interkulturellen Austausch profitieren, auch dank Studierender aus den ärmeren Regionen Asiens, Afrikas und Lateinamerikas: "Solche Studierende sind gewinnbringende Investitionen einer Hochschule und nicht nur 'Zusatzkosten'", schreiben sie. Eine soziale Schieflage bei ihnen lasse sich bereits jetzt feststellen und werde durch die Einführung von Gebühren verschärft. Sie befürchten, dass insbesondere Kinder aus ärmeren Elternhäusern künftig andere Bundesländer bevorzugen werden.

Auch im Wissenschaftsministerium rechnet man zunächst mit einem Rückgang der Zahlen. "Am Anfang wird es vermutlich Ausweicheffekte geben", sagt Pressesprecher Jörg Schönmann; er glaube aber, "dass sich das wieder einpendelt". Ganz im Sinne von Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der Studierende erwartet, die kommen, "weil unsere Hochschulen attraktiv sind, nicht weil es bei uns billig ist". Er hält die 1500 Euro pro Semester für einen "moderaten Eigenanteil", der gerechtfertigt sei gegenüber Inländern oder EU-Bürgern, die die Hochschulen "schließlich über ihre Steuern finanzieren".

Gesetzlicher Ausnahmezwang

Dem Ministerium ist in dieser Gemengelage wichtig, auf <link file:28970>Ausnahmeregelungen zu verweisen. Nicht betroffen sind sogenannte Bildungsinländer – also diejenigen, die ihre Hochschulberechtigung in Deutschland erworben haben. Und alle Ausländer, die einen "gefestigten Inlandsbezug" nachweisen können – also beispielsweise europäische Eltern oder EhegattInnen oder eine Niederlassungserlaubnis haben. Für SPD-Stoch wiederum ist das ein "soziales Feigenblatt" beziehungsweise nur eine juristische Absicherung des Plans.

Denn die Ausnahmeregelungen sind Voraussetzung dafür, dass die exklusiven Ausländergebühren rechtlich zulässig sein könnten. Zu dieser <link https: mwk.baden-wuerttemberg.de fileadmin redaktion m-mwk intern dateien pdf studium_und_lehre external-link-new-window>Einschätzung kommt ein Gutachten, das im Auftrag des Ministeriums prüft, unter welchen Bedingungen selektive Beträge erhoben werden können. Zulässig seien sie, so die Expertise, solange ein "Höchstmaß an sozialer Verträglichkeit" gewahrt werde. Der Zugang zum Hochschulstudium von finanzschwachen Interessenten dürfe "nicht erschwert" werden.

In der Praxis dürfte es dann so aussehen, dass sich internationale Studierende aus ärmeren Elternhäusern künftig eher nach einem Studienplatz in anderen Bundesländern umsehen werden. Dort sind die Hörsäle immer noch kostenfrei. Für jene, die schon hier sind, hat Kretschmann "Bestandsschutz" ausgerufen: Wer sein Studium angefangen hat, darf es nach den geltenden Bestimmungen – also ohne Gebühren – zu Ende führen.

 

Info:

Am Mittwoch, 7. Dezember, wird um 19.30 Uhr im Theaterhaus Stuttgart über Studiengebühren für Ausländer diskutiert. Neben HochschulvertreterInnen werden die SPD-Landtagsabgeordneten Andreas Stoch, Gabi Rolland und Martin Rivoir anwesend sein. VertreterInnen der Landesregierung sind nicht vor Ort.


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1 Kommentar verfügbar

  • Jona Gold
    am 07.12.2016
    Antworten
    Die FDP mit Fahrrad halt....


    ....wobei.
    Nicht mal mehr Fahrrad.
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