Von den dicken Brettern schwärmte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bei seinem Amtsantritt im Mai 2011, die 30 Jahre in der Opposition mit Erfolg gebohrt worden seien. Die Neustrukturierung des Unterrichts über die Vormittagsstunden hinaus war ein besonders dickes. Schon Anfang der Neunzigerjahre hatte Kretschmann selber einen Gesetzentwurf zur Einführung der Ganztagsschule als Regelschule eingebracht. Vollmundig rühmten Bildungspolitiker von SPD und Grünen zu Oppositionszeiten die – unbestrittenen – pädagogischen Vorzüge der Verzahnung von Unterricht und Betreuung und hielten der Landesregierung – ebenfalls zu Recht – schwere Versäumnisse vor.
Denn die Frage nach den Hauptschuldigen an Nachholbedarf und Erblast ist schnell beantwortet. Die CDU könnte sogar einen Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde beanspruchen für das Kunststück, die Ganztagsschule seit 1968(!) im Zustand des Versuchs kurzgehalten zu haben. Fünf Ministerpräsidenten – von Filbinger bis Mappus – und alle sieben Kultusminister, darunter so unterschiedliche Charaktere wie Roman Herzog, Gerhard Mayer-Vorfelder oder Annette Schavan, wollten daran nichts ändern. Marion Schick, heute Personalvorstand der Telekom, teilte als Letzte im Bunde noch wenige Wochen vor den Landtagswahlen 2011 mit, dass gerade mal 249 von 1700 Grundschulen mit Ganztagsangeboten aufwarten. Schick wollte das Gesetz kurz vor knapp noch ändern, scheiterte aber an der CDU-Landtagsfraktion. O-Ton Kretschmann damals: "Die gesetzliche Verankerung ist überfällig, um das Ganztagsschulkonzept des Landes zu vereinfachen, die Zuständigkeiten für die Ganztagsschule zu klären und die Landesförderung für den pädagogischen Betrieb, aber auch für die baulichen Investitionen verlässlich und transparent auszugestalten."
Drei Jahre nach Regierungsantritt hilft die Retrospektive auf die Hinterlassenschaften aber immer weniger. Aus der flächendeckenden Einführung der Ganztagsschule ist ohnehin eine schrittweise geworden, beginnend mit den Grundschulen. Auch die, und das ist ebenfalls keine neue Erkenntnis, kommt richtig teuer. Tausend zusätzliche Deputate hielten die Grünen in der vergangenen Legislaturperiode für nötig, gerade mal hundert ist Finanzminister Nils Schmid (SPD) nach neuen Meldungen aus seinem Haus zu geben bereit. Stochs Experten wiederum verlangen mehr als das Doppelte für die erste große Antragswelle im nächsten Jahr, ohne im Besitz irgendwelcher Druckmittel zu sein. Eher im Gegenteil: Weil sogar in den Regierungsfraktionen immer wieder laut über eine effizientere Mittelverteilung im Schulbetrieb nachgedacht wird, hat sich unter Nicht-Bildungspolitikern längst die Meinung festgesetzt, dass Lehrerkollegien doch auf irgendeine geheimnisvolle Weise zusätzliche Ressourcen herausschwitzen oder durch Umverteilung erwirtschaften können.
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heiko
am 10.03.2014