Totholz. Eine jener Vokabeln, die Stimmung machen sollen in Baiersbronn und in Freudenstadt, in Bad Wildbad, Seewald oder Enzklösterle. Eine Vokabel der milderen Art. Da sind noch ganz andere Eisen geschmiedet. "Wenn Ignoranz wehtun würde, müsste Bonde den ganzen Tag schreien", so giftig kommentieren Gegner im Internet Finanzierungspläne des grünen Ressortchefs. Und den Ministerpräsidenten verblende natürlich die Macht. Bei Veranstaltungen sind gellende Pfeifkonzerte für Nationalparkbefürworter Routine. Widersacher betreten Podien nicht, auf denen Befürworter Platz genommen haben. Der ehemalige ZDF-Moderator Alexander Niemetz wirft den Grünen "Tugendterrorismus" vor. CDU-Fraktionschef Peter Hauk zeichnet das Bild von den "entvölkerten Dörfern". Und er nutzt die ihm als Förster zugesprochene Kompetenz für weit hergeholte Sorgen, etwa die "um die Existenz des Homo sapiens im nördlichen Schwarzwald". Was selbst SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel, der den Naturschutz nicht grundsätzlich im Tornister hat, fest an die Seite der Grünen treibt. "Sie hauen solche Hämmer raus", knöpft er sich Hauk im Landtag vor, "nur um die sachliche Diskussion zu stören."
Zu wenig Zeit genommen im Vorfeld
Womit allerdings auch das größte Versäumnis der verantwortlichen Befürworter beschrieben ist. Bei Amtsantritt hatte Alexander Bonde, der Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, zwar die Pläne der Vorgängerregierung in der Schublade gefunden, angestoßen noch vom einstigen CDU-Umweltminister Erwin Vetter Anfang der Neunziger. Eine Anleitung zum Umgang mit der Zivilgesellschaft war nicht dabei. Bonde, der sich – lange vor der Bundestagswahlniederlage seiner Partei – für Schwarz-Grün in Stellung brachte, ist dazu gar kein Experte, nicht für Naturschutz und nicht für Bürgerbeteiligung. Der Super-Realo war einst Haushaltsexperte der Grünen im Bundestag.
Fachleute sind sicher, wäre der Dialogprozess über die Einrichtung eines Großschutzgebiets auf hundert Quadratkilometern oder 0,3(!) Prozent der Landesfläche ohne jede Inanspruchnahme von privatem Grund und Boden professioneller gestartet worden, könnte ihn der Ministerpräsident eher als gelungenes Beispiel für seine "Politik des Gehörtwerdens" verbuchen. So aber gilt einer von Kretschmanns Lieblingssätzen: "Nach der Kirche ist man immer klüger." Und vor dem Kirchgang nahm sich der grüne Teil der Landesregierung zu wenig Zeit. Um die Verfahrensregeln zu durchdenken, um zu definieren, wo die größten Gefahren lauern, um den Widerstand und das Radikalisierungspotenzial zu lokalisieren. Oder um sich sachkundig zu machen, was Konfliktforscher zu bieten haben und welche Rahmenbedingungen unerlässlich sind.
Denn nach der reinen Mediatorenlehre müsste es eigentlich immer weitergehen mit der Suche nach einem Ausgleich der widerstreitenden Interessen – bis er gefunden ist. Immerhin hat in zentralen Gemeinden die Bürgerschaft mit bis zu 87 Prozent gegen das Projekt votiert. Ohne rechtliche Zuständigkeit, aber in breiten Kampagnen halb informiert, immer unterstützt von den Sägern und den Jägern, vom Adel, von Teilen der CDU und vor allem der FDP. Letztere definierte Bürgerbeteiligung kurzerhand um, erklärte Kritiker und Skeptiker zu Experten und machte monatelang Stimmung dafür, die Entscheidung allein den direkt Betroffenen zu überlassen. Natürlich in der Hoffnung auf ein Nein – und in einem Verfahren, dem die Liberalen bei Stuttgart 21 niemals zugestimmt hätten.
Revanche für den Protest gegen Stuttgart 21?
Überhaupt die Parallelen. "Zu den aktiven Kritikern gehört auch eine Gruppe, die den Widerstand gegen den Nationalpark als politische Revanche für den Widerstand gegen den Tiefbahnhof Stuttgart 21 inszeniert", heißt es in einer Masterarbeit zum Thema. Verfasst hat sie Waldtraud Ulshöfer, veröffentlicht wurde sie im Mai 2013 an der Universität Hagen. Die Gruppe protestiere mit Plakaten, die grafisch den Protestplakaten gegen S 21 gleichen. Ihr polemisches Hauptargument laute, dass ein Nationalpark eine abgesperrte Wildnis sei, die den Menschen ihre Freiheit nehme, weil sie keinen Zugang mehr zum Wald hätten, nicht mehr Ski fahren, Pilze und Beeren pflücken oder spazieren gehen könnten. Und weiter: "Die Gruppe verpönt den Nationalpark als großflächiges kostspieliges Versuchslabor für eine radikale Naturschutzideologie."
9 Kommentare verfügbar
gguen
am 12.11.2013und möchte gerne ein grünes Prestigeobjekt durchsetzen,
um sich zu profilieren, da er gerne seinen Chef Kretschmann nach
dessen Abgang beerben würde.
Welche eine Ironie, dass der "grüne Basisdemokratie an Volkes Ohr, s.o., also in der Gemeinde lebt, die am…