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Pressemonopol im Südwesten

Das Jahr des Einheitsbreis

Pressemonopol im Südwesten: Das Jahr des Einheitsbreis
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2025 wird als Jahr des Monopols in die baden-württembergische Pressegeschichte eingehen. Der Verlag der "Südwest Presse" hat wichtige Landeszeitungen geschluckt – und niemand regt sich auf.

Ohne Zweifel gebührt Andreas Simmet das Verdienst, die Metapher des Jahres im Pressewesen des Südwestens geprägt zu haben: Die Zeitung ist eine Pferdekutsche. Mit diesem Bild erstaunte der Geschäftsführer der "Neuen Pressegesellschaft" (NPG) aus Ulm die Belegschaften jener Blätter, die er Mitte des Jahres gekauft hat. Die Kutsche erscheint ihm als treffendes Sinnbild für drei konkurrierende Gruppen, die sie bewegen. Die erste zieht vorne an der Deichsel, die zweite steht auf der Bremse und die dritte fährt auf gepolsterten Sitzen mit. Unschwer zu erraten, wen Simmet, der Mann auf dem Bock, nicht leiden kann.

Das Bildnis ist insoweit bedeutsam, als es vieles und viele betrifft. Zur Überraschung der gesamten Branche war es der NPG, hinter der die Verlegerfamilie Ebner steckt, gelungen, geräuschlos zum Monopolisten in Baden-Württemberg aufzusteigen. Zu ihrem hauseigenen Erzeugnis, der "Südwest Presse", waren jetzt noch die "Stuttgarter Zeitung", die "Stuttgarter Nachrichten", die "Eßlinger Zeitung", die Kreiszeitung "Böblinger Bote" sowie der "Schwarzwälder Bote" gekommen. Angestrebte Gesamtauflage: eine Million. Öffentliche Proteste: null.

Ausgabe 740 vom 04.06.2025

Der Gerettete verramscht den Retter

Von Josef-Otto Freudenreich

Eine Meldung mit Knalleffekt: Die "Südwestpresse" aus Ulm kauft die Stuttgarter Zeitungen, die "Eßlinger Zeitung", den "Schwarzwälder Boten" und die "Böblinger Kreiszeitung". Und was sagen die Chefredaktionen dazu? An der Qualität ändere sich nichts. Das klingt wie eine Drohung. Eine Bestandsaufnahme.

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Vor allem Letzteres war verwunderlich. Rühmte sich doch die Politik im Schulterschluss mit den Zeitungsverlegern ein Musterland der Medienvielfalt zu sein, stets im Dienste der Demokratie unterwegs. Was das Publikum jetzt hat, sind rund 30 Titel, unter denen dieselben Autor:innen, dieselben Themen, dieselben Layouts auftauchen, ausgenommen die Lokalteile, die sich noch der örtlichen Gegebenheiten widmen.

Ehrlicherweise verschwiegen die Ulmer Monopolisten nicht, dass sie in erster Linie des Gelderwerbs wegen die Zukäufe tätigten. Ohne Wachstum, sagten sie, gehe nichts mehr im Mediengeschäft, und dieses Wachstum ermögliche die dringend notwendigen Kostenreduktionen. Konkret heißt das: Redaktionen schließen, Personal entsorgen, Doppelstrukturen abbauen, Honorare eindampfen. Und wenn nicht alles täuscht, wird im kommenden Jahr das journalistische High-End-Produkt erscheinen – ein gemeinsamer Mantel für alle Konzernblätter. Gefertigt von der "Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft" aus dem Hause NPG.

Damit lässt sich richtig Geld sparen. Erstens braucht es kaum Personal mehr in der überregionalen Politik, Wirtschaft, Kultur und im Sport, und zweitens sitzen dort überproportional viele ältere (und teure) Redakteur:innen. Nun kann man selbige nicht einfach rausschmeißen, da ist noch das Arbeitsrecht davor, aber man kann sie mit dem Ernst der Lage vertraut machen. In Stuttgart etwa gibt es sogenannte Ü60-Gespräche mit der Chefredaktion, die wissen will, wie sie sich ihre "Lebensplanung" für die weitere Zukunft vorstellen. Betroffen sind rund 80 Kolleg:innen aus den zugekauften Zeitungen. Viele von ihnen werden die nächsten sein, die fehlen. Mitsamt ihrem Wissen, ihren Erfahrungen und Meinungen.

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