Los ging es mit einer Anfrage der "Waiblinger Kreiszeitung". Kurz darauf wurde meine Studie auch auf "Bildblog" und der MDR-Kolumne "Altpapier" diskutiert. Bereits zu diesem Zeitpunkt war ich zeitgleich begeistert und überfordert von der Aufmerksamkeit. Doch das sollte erst die Spitze des Eisbergs sein. Ein paar Tage später meldete sich eine Kollegin des Medienmagazins "In medias res" vom Deutschlandfunk für eine Podcast-Aufzeichnung. Auch im Verdi-Podcast "Menschen machen Medien" durfte ich über meine Arbeit sprechen. Meine Gedanken zu der Zeit: "Was passiert hier?!" Es folgten weitere Interview-Anfragen, unter anderem von "Ippen Media", die ein Interview mit mir in zahlreichen Lokalzeitungen des Verlags veröffentlichten, und vom Magazin "Drehscheibe" der Bundeszentrale für politische Bildung. Mehrere Forschende aus Deutschland und der Schweiz kontaktierten mich, um meine Arbeit in ihre Quellen mitaufzunehmen. Und auch im Fernsehen wurde meine Studie – zumindest indirekt – besprochen: Für die ZDF-Magazin-Royal-Folge zum Zustand des Lokaljournalismus in Ostdeutschland wurde ich für ein Recherchegespräch kontaktiert.
Aber es blieb nicht nur bei Interviews und Gesprächen, ich wurde auch gebeten, über meine Arbeit zu referieren. Unter anderem vom Verband der südwestdeutschen Zeitungsverleger (VSZV) auf dessen Jahrestagung in Stuttgart. Eine echte Feuerprobe für mich, denn es barg eine gewisse Spannung, ausgerechnet denjenigen von meinen Ergebnissen zu berichten, die in Teilen den Rückzug der Lokalzeitung mitverantworten. Auch weil ich keinen Hehl daraus mache, dass es sich bei meinen Resultaten "nur" um eine Masterarbeit handelt. Nichtsdestotrotz wurden auch hier die Ergebnisse mit Interesse und konstruktiver Kritik begrüßt. Anfang Oktober war ich als Referent und Podiumsgast auf der Lokalkonferenz der Bundeszentrale für politische Bildung und Mitte November zu den Augsburger Mediengesprächen eingeladen.
Doch den skurrilsten Moment erlebte ich wohl Mitte Mai. Da schickte mir Kontext-Kollege Minh Schredle eine Mail, ich solle doch mal in diese "medias res"-Folge ab Minute 4:24 reinhören. Gesagt, getan. Kurz darauf komme ich aus dem Lachen nicht mehr raus: Christian Lindner, damals noch sparwütiger Finanzminister, zitiert auf einer Tagung der deutschen Lokalzeitungen meine Studie. Und das, obwohl der oberste Geiselnehmer der Schuldenbremse kurz zuvor bei einem Interview den wissenschaftlich bestätigten Zusammenhang zwischen Austerität und dem Erfolg von populistischen Parteien in bester Stockholm-Syndrom-Manier verneinte. Hätte er diese Studien vielleicht mal besser ernst genommen.
Was bleibt für mich nach den rund 40 Anfragen, Gesprächen, Interviews? Zunächst die Erkenntnis, dass der Lokaljournalismus nach wie vor relevant für die Leser:innen ist und ein hohes Vertrauen genießt. So viele Menschen haben mir dieses Jahr gespiegelt, wie gerne sie Lokales lesen. Zweitens: Es gibt so viele Kolleg:innen, die stolz sind auf ihre Arbeit "im Kleinen". Denn sie haben verstanden, wie wichtig das Lokale für die Gesellschaft ist. Denn ein Stück weit ist auch Journalismus ein sozialer Beruf, der Bindung und Vertrauen schafft. Doch um das auch allen klarzumachen, braucht es weitere Untersuchungen – wie die der Hamburg Media School – die die Wichtigkeit mit mehr belastbaren Zahlen unterlegen. Und vor allem: Es braucht eine flächendeckende Lösung für die Finanzierung von Lokaljournalismus. Ein weiteres Aussterben der Lokalpresse kann sich eine demokratische und antifaschistische Gesellschaft nicht leisten.
1 Kommentar verfügbar
Philippe Ressing
vor 3 Wochen1. Wenn sich Lokaljournalismus auf Rathaus-Berichterstattung reduziert, hilft das der demokratischen Kommunikation bei uns kaum. Seit Jahren nimmt der Konzentrationsprozess im lokalen Print-Bereich zu - siehe Springer Verkauf seiner gesamten Tageszeitungen, Konzentration auf…