Die Kontroverse ist längst Gegenstand der Wissenschaft. Unter dem wahrscheinlich ungewollt martialisch anmutenden Titel "Ein Blumenfest, das Mannheims Bürger spaltet" erforschten angehende Kommunikationsexpert:innen der Universität Hohenheim bereits im Wintersemester 2013/2014, warum die Bundesgartenschau (Buga) in der Stadt zwischen Rhein und Neckar so umstritten ist.
Eigentlich klingt alles nach einem begeisterungsfähigen Projekt: Ehemaliges Militärgelände im Mannheimer Norden soll sich in lebenswerte Quartiere verwandeln, das steht ohnehin auf der Agenda der Stadt – und mit den millionenschweren Zuschüssen für die "Olympischen Spiele der grünen Zunft" (Buga-Geschäftsführer Michael Schnellbach) sahen der Oberbürgermeister und eine Gemeinderatsmehrheit Gestaltungsmöglichkeiten, die anderenfalls nicht offenstünden. Herzstück der Planung für 2023 ist es, verschiedene Parkanlagen in der Stadt zu einem durchgehenden Grünzug zu verbinden und das Atmen in den Quadraten mit einer großen Frischluftschneise aufzuwerten.
Hinter der Idee stehen CDU, SPD, Grüne und Linke. Aber in der Bevölkerung ist die Skepsis groß. Nach einer Umfrage der Lokalzeitung "Mannheimer Morgen" waren 2012 noch drei Viertel der Befragten in der Stadt für das Projekt. Das änderte sich schnell: Bei einem Bürgerentscheid über die Buga-Ausrichtung, parallel zur Bundestagswahl am 22. September 2013 durchgeführt, ist die Mehrheit nur noch hauchzart: Mit 50,7 Prozent gegen 49,3 Prozent war das Ergebnis noch deutlich knapper als bei der Volksabstimmung zu Stuttgart 21. Den Protest beflügelten dabei zwei Kernthemen: Zum einen sind da die Buga-Kosten von knapp 106 Millionen Euro, wobei die Belastung für die städtischen Finanzen trotz Drittmitteln beträchtlich bleibt (circa 60 Millionen Euro). Hinzu kommt, dass die Pläne der Stadt mit der Feudenheimer Au ein sensibles Biotop berühren, was auch begründet, warum zu den Gegner:innen nicht nur die FDP und die Mannheimer Liste zählten, sondern ebenso der BUND und der Nabu.
Inzwischen hätten sich die Kritiker:innen beruhigt, war sich Geschäftsführer Schnellbach 2018 sicher – doch der erste Baum der Buga, eine Stieleiche, die feierlich im Beisein von Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) und Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch (CDU) eingepflanzt wurde, fiel Ende 2020 Vandalen zum Opfer.
Senden und gesehen werden
Obwohl kaum ein anderes Thema das kommunalpolitisch interessierte Mannheim in den vergangenen Jahren vergleichbar bewegt hat, und auch wenn die entscheidende Abstimmung denkbar knapp ausfiel, hat sich der öffentlich-rechtliche Südwestrundfunk (SWR) nun für einen bemerkenswerten Weg entschieden, wie er das Projekt in Zukunft begleiten will: nämlich als Medienpartner. Michael Schnellbach hat "zwei große Parallelitäten" zwischen der Buga und dem Sender identifiziert: "Zum einen haben wir beide Anspruch und beide haben wir Reichweite." Und Stefanie Schneider, Landessendedirektorin des SWR, sekundiert: "Also für uns ist es insgesamt immer total wichtig, dass wir da sind, wo was passiert, also wo Menschen sind. Und wo Leute zusammenkommen, da sollten sie sehen, dass der SWR auch da ist."
Zudem sei es laut Schneider "natürlich toll für uns, das zu begleiten. Nicht nur dann, wenn die Bundesgartenschau wirklich läuft, sondern schon lange im Vorfeld". In der Tat waren bei dem öffentlich-rechtlichen Informationsangebot bereits Wochen vor der offiziellen Bekanntgabe einer Kooperation Dinge zu erfahren wie: "Der Luisenpark als zweiter Schauplatz der Buga23 profitiert auch. Die neue Parkmitte mit der Unterwasserwelt unter anderem für Pinguine und Fische, mit der begehbaren Vogel-Voliere und dem neuen Pflanzenschauhaus wird den alten Park wieder jung machen und für Besucher attraktiver."
Zugegeben: Dass sich Medienberichte wie Werbebroschüren lesen, ist kein ganz exklusives Phänomen von SWR-Buga. Mitunter kann aus dem journalistischen "Begleiten" von Großprojekten ein Ermöglichen-Wollen, Daran-Teilhaben und Synergie-Effekte-Nutzen werden. Erinnert sei nur an die vielen S-21-Freunde in den Chefetagen süddeutscher Lokalzeitungen und an den legendären Satz von StZ-Redakteur Adrian Zielcke: "Ohne die Zustimmung der Stuttgarter Zeitung zu diesem Großprojekt würde, so vermute ich, Stuttgart 21 nie gebaut."
Noch dominieren Plastikrohre die Szenerie
Mehr als zwei Millionen Besucher:innen erwartet Mannheim bei der Buga. "Und natürlich wollen wir auch zeigen, was wir können, wenn wir dabei sind", verrät SWR-Direktorin Schneider. Gemeint ist damit nicht nur kritischer Journalismus, sondern das SWR1-Event "Pop & Poesie", die SWR4-Schlagerparty mit Beatrice Egli, Auftritte der SWR Big Band und ein SWR-Familienfest. "Die Buga ist eine sehr willkommene Veranstaltung, weil man unterschiedliche Menschen aus dem ganzen Sendegebiet und ganz Deutschland trifft", lässt Lothar Hasl wissen, der Kommunikationschef beim SWR.
Doch bis die große Fete im kommenden April steigen kann, bleibt noch viel zu tun, und der Zeitplan ist straff. Ende März dieses Jahres riet die "Rhein-Neckar-Zeitung" (RNZ) zu viel Fantasie für die Buga-Schauplätze, denn: "Bislang blüht fast nichts." Die triste Szenerie werde noch von viel Staub, Baggern, Lastwagen, Kippladern und Plastikrohren überall dominiert. 2023 "Zukunftsbäume" (es sind normale Bäume) sollen bis zum Auftakt verpflanzt sein und an heißen Tagen Schatten spenden. Doch ob sie fristgerecht die erwünschte Blätterpracht entfalten, muss bezweifelt werden. Der RNZ gegenüber sagt Michael Schnellbach jedenfalls: "Schreiben Sie ruhig, dass die künftigen Besucher einen Hut oder Sonnenschirm mitbringen sollten."
2 Kommentare verfügbar
Philippe Ressing
am 19.05.2022