Der Streitwert ist exorbitant hoch: Auf 260 000 Euro hat die Rechtsanwaltskanzlei Höcker ihn für das kommende Hauptsacheverfahren gegen Kontext beziffert. Insgesamt 60 000 Euro Schadenersatz möchte Marcel Grauf, ein rechtsradikaler Mitarbeiter zweier AfD-Abgeordneter im Landtag von Baden-Württemberg, im Mai 2020 erstreiten, diesmal vor dem Landgericht Frankfurt. 30 000 Euro will er von der Kontext-Redaktion, und dazu je 15 000 Euro von den Kontext-RedakteurInnen Anna Hunger und Minh Schredle. Dafür, dass wir ihn im Mai 2018 namentlich benannt und aus insgesamt 17 000 Seiten seiner Facebook-Chats zitiert haben, die uns vorliegen.

"Sieg Heil" mit Smiley
Ausgabe 371, 9.5.2018
Von Anna Hunger
Marcel Grauf arbeitet für die AfD-Abgeordneten Christina Baum und Heiner Merz im baden-württembergischen Landtag. Und er ist ein strammer Faschist. Das belegen Chatprotokolle, die Kontext exklusiv vorliegen. Sie gewähren Einblick in hassverseuchte Dialoge und eine menschenverachtende Gedankenwelt.
Veröffentlicht haben wir dabei ausschließlich aus Unterhaltungen mit Neonazis, rechten Burschenschaftlern, Neuen Rechten und NPD-Funktionären, angereichert mit Hitlergruß-Emojis. Es geht um Hitler, Mussolini, den Attentäter Anders Breivik, um Muslime: "Dass sie generell eher zu untermenschlichem Verhalten neigen, liegt schon an der Rasse", schreibt Grauf. Anne Frank nennt er eine "Hure", Geflüchtete "Nigger, Sandneger, ich hasse sie alle". Als "Eröffnungsgag" bei einer Diskussion mit offenem Mikrofon schlägt er vor: "Immerhin haben wir jetzt so viele Ausländer im Land, dass sich ein Holocaust mal wieder lohnen würde."
Wir haben das öffentlich gemacht, den Rassismus, den Antisemitismus und die Verachtung gegenüber der demokratischen Staatsform. Denn wir sind der Meinung, dass die Öffentlichkeit ein Recht darauf hat, zu erfahren, was in den Köpfen vor sich geht, die für die AfD im Hintergrund arbeiten. Und weil wir es als unsere journalistische Pflicht ansehen, dabei Sachverhalte und Personen klar zu benennen.
Und nicht nur wir sind dieser Meinung. Im Februar dieses Jahres hat uns das Oberlandesgericht Karlsruhe in seiner insgesamt 32-seitigen Urteilsbegründung vollumfänglich recht gegeben. Es überwiege in diesem Fall, wie das OLG ausführte, das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und das Recht der Redaktion auf Meinungs- und Medienfreiheit das Interesse des Klägers am Schutz seiner Vertraulichkeitssphäre: "Denn mit Rücksicht auf die Diskussion um rechtsextreme Bestrebungen im Umfeld der AfD leisten die beanstandeten Presseartikel einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage."
Die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) war erleichtert über das Urteil: "Wir alle wissen, dass Journalistinnen und Journalisten, gerade die investigativ tätigen, für unsere Demokratie so wichtig sind, wie die Luft zum Atmen. Sie müssen die Wahrheit ans Licht bringen, das ist Teil ihrer Kontrollfunktion", kommentierte sie in einem Gastbeitrag für Kontext.
Zwei Mal waren wir in den vergangenen anderthalb Jahren gegen Marcel Grauf vor Gericht, der in mehreren eidesstattlichen Erklärungen behauptet, man habe ihm die zitierten Passagen untergeschoben. Wir haben ein linguistisches Gutachten in Auftrag gegeben und vor Gericht präsentiert, das diese Aussage widerlegt. Gegen die Erklärungen an Eides statt gehen wir bereits juristisch vor.
Keule gegen Kontext
Der Text "'Sieg Heil' mit Smiley", der erstmals aus Graufs Chatprotokollen zitiert, war im Sommer für den Theodor-Wolff-Preis 2019 nominiert, eine der höchsten Auszeichnungen der Journalistenbranche. Doch nun geht es, nach Verhandlungen in Mannheim und Karlsruhe, juristisch in die dritte Runde. Und es geht um hohe Kosten, die der Rechtsstreit mit sich bringt – viel Geld, das uns fehlt. Wir werden nicht klein beigeben.

Gefährder im Landtag
Ausgabe 373, 23.5.2018
Von Minh Schredle
Die von Kontext offengelegten Verbindungen eines Mitarbeiters von AfD-Abgeordneten zur extremen Rechten beschäftigen jetzt das baden-württembergische Parlament. SPD und Grüne betrachten den Mann als Sicherheitsrisiko und verlangen von Präsidentin Muhterem Aras Konsequenzen.
Doch das schaffen wir nur zusammen mit Ihnen, mit Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Deshalb haben wir unsere diesjährige vorweihnachtliche Spendenaktion ganz unter dieses Thema gestellt: Aufrecht gegen rechts.
Marcel Grauf lässt sich von der Kanzlei Höcker vertreten, eine der bekanntesten Medienrechtskanzleien Deutschlands. Sie vertritt prominente MandantInnen und seit einiger Zeit verstärkt PolitikerInnen und das Umfeld der AfD, denen nicht gefällt, wenn Medien kritisch über sie berichten. Kontext ist nur eine Zeitung unter vielen Presseorganen in Deutschland, die von der juristischen Keule bedroht sind, die diese Kanzlei schwingt.
Wer den Streitwert in einem Presserechtsverfahren gegen eine spendenfinanzierte Zeitung auf 260 000 Euro veranschlagt, hat ein klares Ziel: eine kritische Stimme zum Schweigen zu bringen. Wir wehren uns! Wir wehren uns dagegen, dass eine Kanzlei im Namen der Neuen Rechten Medienvertretern den Mund verbieten möchte.
Deshalb werden wir kämpfen und wünschen uns, dass Sie eine Mitstreiterin, ein Mitstreiter werden. Lassen Sie uns gemeinsam stark und laut sein gegen den Rechtsruck und dessen juristische Keule. Diesmal zielt sie auf uns. Gemeint sind wir alle.
Spenden Sie unter dem Betreff "Aufrecht gegen rechts" auf das Konto:
KONTEXT: Verein für ganzheitlichen Journalismus e.V.
GLS Bank
IBAN: DE80 4306 0967 7011 8506 00
BIC: GENODEM1GLS
KONTEXT e.V. ist gemeinnützig. Sie erhalten automatisch Anfang Februar die Spendenbescheinigung für das Vorjahr. Bitte geben Sie dazu bei Ihrer Überweisung ihre Postadresse an.
20 Kommentare verfügbar
Klaus - D. Prinz
vor 2 WochenAxel
vor 3 WochenZitat: "Was wenn der zuständige Richter AFD-affin ist?"
Das ist leider heutzutage gar nicht so unwahrscheinlich.
Die Rechten sind seit einigen Jahren dabei, sich in der Justiz festzusetzen.
Gerade in den neuen Bundesländern, findet man extrem viele Gerichtshelfer, Schöffen und angestelltes Personal in den Gerichten, die ein -wie soll ich sagen- eher rechtsradikal geprägtes Weltbild haben.
AfD und Konsorten ist klar, dass solange die Justiz unabhängig ist, sie nicht viel weiter kommen. Gleichzeitig schimpft dann das Parteiorgan Bild-"Zeitung" über die angeblichen "Kuschelrichter" und sorgt so dafür, dass die demokratische Justiz ein wenig Angst vor zwar erstunkener und erlogener, aber nichtsdestotrotz wirksamer Propaganda hat. So höhlt man die Judikative langsam aber sicher aus...
Verena Saisl
vor 3 Wochenhttps://dejure.org/gesetze/StGB/130.html
https://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20091104_1bvr215008.html
Daniel
am 18.11.2019W. Wagner
am 17.11.2019W. Wagner
Markus Mezger
am 15.11.2019https://www.hoecker.eu/news/endlich-amtlich-maa%C3%9Fen-wechselt-zu-h%C3%B6cker
Inka
am 15.11.2019Ich bin (wie vielleicht der ein oder andere Leser auch) kein Jurist und auch seltenst verstrickt. Ich habe z.B. keine Ahnung, wie ein Streitwert errechnet wird, was das überhaupt ist und warum der so viel höher liegt als der ohnehin schon exorbitante Schadenersatz.
Also, wenn ich helfe, die 260.000 zusammenzukriegen, wüsste ich eventuell schon ganz gern, wie der Betrag überhaupt entsteht. So für's Gefühl.
Und was passiert mit meiner Spende, wenn die Zeitung gewonnen hat, bleibt sie dann automatisch da oder wird sie bspw. an eine gemeinnützige Organisation im Kampf gegen Rechts weitergeleitet?
(Sorry, aber ich kannte diese Zeitung gar nicht, bin über den Bildblog gekommen.)
Peter Cuenot
am 14.11.2019Da Herr Grauf insgesamt 60.000 Euro als Schadensersatz fordert kann das mit dem Streitwert von 260.000 Euro eigentlich nicht stimmen.
Weshalb legt Kontext den Gerichten ein linguistisches Gutachten als Beweismittel vor, wenn die entsprechenden Chatpassagen bzw. Chatprotokolle von M. Grauf unterzeichnet sind?
Lohnt sich ein jahrelanger Rechtsstreit - der Richter am Landgericht hatte im einstweilige Verfügungsverfahren darauf hingewiesen, dass, bei Durchlaufen aller Instanzen, mit einer Dauer bis 2025 gerechnet werden müsste - bei dem Niemand weiss, wie er letztlich ausgehen wird?
schmidt123
am 14.11.2019Gabi
am 14.11.2019Joachim Petrick
am 14.11.2019Peter Bahn
am 14.11.2019Kontext:Redaktion
am 14.11.2019ja, das ist möglich: https://www.kontextwochenzeitung.de/ueber-uns/kontextunterstuetzer/einmalig-spenden.html
Vielen Dank und liebe Grüße aus der Redaktion
Andreas V
am 14.11.2019Dabei sollte man aber im Kopf haben, dass bei PayPal-Spenden ein Prozentsatz des Betrags als Provision bei dem US-Konzern landet. Wenn du z.B. per PayPal 5 Euro überweist, kommen nur 4,60 Euro an. Überweisungen oder Lastschriften sind die bessere Wahl, wenn möglichst viel ankommen soll.
Achim
am 14.11.2019Klaus
am 13.11.2019Ausserdem wollen die Anwälte erstmal Geld, auch wenn es nachher vom unterlegenen Gegner erstattet werde muss.
Peter Meisel
am 13.11.2019"Seit anderthalb Jahren liegt Kontext mit einem Neonazi im Rechtsstreit. Marcel Grauf, tätig für zwei AfD-Abgeordnete im Landtag von Baden-Württemberg, zerrt uns erneut vor Gericht – mit sechsstelligem Kostenrisiko für unsere Redaktion. Wir lassen uns nicht mundtot machen."
Ganz richtig, denn wir leben in einer Republik und die res publika hatten die Römer erfunden, um die Etrusker nach der Vergewaltigung einer römischen Bürgertochter zu vertreiben! Kontext hilft uns hin zu schauen und solche barbarischen etruskischen Zustände zu vertreiben! Danke.
Nur wer hinschaut, kann etwas sehen! (s.KRABAT)
In diesem Fall empfehle ich das Plenarprotokoll 19/14 vom Deutschen Bundestag, die 14. Sitzung am Donnerstag, den 22. Februar 2018.
Dort hat sich die AfD offenbart und Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) hat eine prämierte Gegenrede gehalten: Nachzulesen unter 1189D.
Den Stenografischen Bericht dieser Sitzung sende ich Euch mit gesonderter Post.
Gerald Wissler
am 13.11.2019Wenn die Berichterstattung in Ordnung war, wird das doch alles auf den Kläger zurückfallen, und Euer eigener Anwalt freut sich bei seiner Abrechnung über den hohen Streitwert.
Nick Rudnick
am 13.11.2019Helga Borchert
am 13.11.2019