Als im Juni 2013 der Baukonzern Alpine Pleite ging, wiegelten die S-21-Planer ab. Alpine sei nur ein kleines Licht im großen S-21-Tunnel-System; Konsortialführer im Fall des wichtigen Cannstatter Tunnels sei vielmehr Hochtief. Nun zeigte jedoch gerade die Alpine-Pleite, auf welche Abgründe ein nach außen bodenständiger Baukonzern gestoßen werden kann. Wenn er denn eine entsprechend böse Stiefmutter, sprich spanische Holding, hat. Überraschenderweise unterscheiden sich die Strukturen, in denen sich Hochtief befindet, nur wenig von denen, in denen sich Alpine befand. Doch Actividades de Construcción y Servicios (ACS) mit seinem Eigentümer, dem Multimilliardär Florentino Pérez, und der Tochter Hochtief, sind nochmals ganz andere Hausnummern als Alpine und sein spanischer Mutterkonzern Fomento de Construccions y Contratas (FCC). ACS und Hochtief kommen zusammen auf eine Umsatzsumme von mehr als 70 Milliarden Euro und zählen gut 240 000 Beschäftigte.
Doch was hat ACS mit Hochtief zu tun? Schließlich wird Hochtief auch im Zusammenhang mit dem Stuttgart-21-Projekt als bodenständiges "Essener Unternehmen" und als "letzter großer deutscher Baukonzern" bezeichnet. Richtig ist, dass auf Hochtief all dies lange Zeit zutraf. Die Unabhängigkeit des deutschen Bauriesen wurde erstmals Anfang 2006 infrage gestellt, als der deutsche Milliardär August von Finck mit seiner Finanzholding Custodia 25,01 Prozent der Hochtief-Anteile und damit eine Sperrminorität erwarb. Er reichte diese ein gutes Jahr später an den spanischen Baukonzern Actividades de Construcciones y Servicios weiter – womit das Ganze bereits den Geruch einer Auftragsarbeit erhielt. ACS stockte in der Folge seine Beteiligung mehrmals auf – gegen den Widerstand von Hochtief-Beschäftigten und Vorstand.
Bafin und IG Bau gaben grünes Licht
Die Belegschaftsvertreter und der damalige Hochtief-Vorstandsvorsitzende Herbert Lütkestratkötter bezeichneten den Vorgang zu Recht als "feindliche Übernahme". Sie argumentierten bereits 2010, Ziel von ACS sei das Ausschlachten des deutschen Baukonzerns. Im Juni 2011 gab ACS dann bekannt, bereits mehr als 50 Prozent der Hochtief-Anteile – und damit den Baukonzern als Ganzes – zu kontrollieren. Übrigens: Die deutsche Finanzaufsichtsbehörde Bafin gab ausdrücklich grünes Licht für die Übernahme und damit zumindest indirekt auch für das, was jetzt folgte. Und auch der Vorsitzende der Gewerkschaft IG Bau, Klaus Wiesehügel, hatte sich auf die Seite von ACS geschlagen – und war damit dem Hochtief-Betriebsrat in den Rücken gefallen.
Nach diesem Zeitpunkt gab es einen radikalen personellen Umbau bei Hochtief. So gut wie alle Topmanager, die für Bodenhaftung und Eigenständigkeit standen, wurden ausgewechselt oder sie verließen – wie Lütkestratkötter – von sich aus das Unternehmen. Auch der Hochtief-Betriebsratsvorsitzende trat zurück. Wiesehügel durfte sein Aufsichtsratsmandat allerdings behalten. Im aktuellen Hochtief-Kontrollgremium sind fünf der acht Mitglieder Spanier. An der Spitze des Hochtief-Vorstands steht inzwischen mit Marcelino Fernández Verdes ebenfalls ein Vertreter der spanischen Mutter. Im Februar 2013 wurde in der "Wirtschaftswoche" auf mehreren Seiten die Frage abgehandelt, wie der spanische Bauriese <link http: www.wiwo.de unternehmen dienstleister bauwirtschaft-wie-acs-hochtief-ausschlachten-kann _blank>"Hochtief ausschlachten" und gegen die Wand fahren lassen könne. Als "Option 7" heißt es dort: "Seit ACS im Herbst 2011 die feindliche Übernahme startete, gilt die Zerschlagung des deutschen Baukonzerns als Worst-Case-Szenario. (...) Die Spanier könnten in Abständen von mehreren Monaten sukzessive Anteile verkaufen ..."
Sahnestücke werden verkauft
Just ein solcher Prozess hat bei Hochtief bereits begonnen. Im Mai 2013 erfolgte der Verkauf der Hochtief-Airportsparte (unter anderem mit Beteiligungen an den Flughäfen Hamburg, Düsseldorf, Athen und Budapest ...) für satte 1,1 Milliarden Euro an einen kanadischen Investor. Aktuell zeichnet sich der Verkauf der Servicesparte "Hochtief Solutions" ab; deren Topmanager Rainer Eichholtz warf Ende 2012 vorausschauend das Handtuch. Andere zur Debatte stehende Verkäufe sind die australische Hochtief-Tochter Leighton und die Hochtief-Immobilientochter Aurelis. Letztere Gesellschaft verfügt im Übrigen über äußerst wertvolle Cityimmobilien, die zuvor Bahngelände waren und die auf höchst fragwürdige Weise im Rahmen der Bahnreform von 1994 zur DB AG wanderten und von dieser dann an Hochtief veräußert wurden. (Nach dem Eisenbahnneuordnungsgesetz, das der Bahnreform von 1994 zugrunde liegt, sollten eigentlich alle "nicht bahnnotwendigen" Immobilien von Bundesbahn und Reichsbahn nicht zur DB AG kommen, sondern in öffentlichem Eigentum verbleiben. Ein versteckter Satz in diesem Gesetz (§ 23 (6)) ermöglichte jedoch einen faulen Deal ("Vergleich"), sodass ein großer Teil dieser äußerst wertvollen Immobilien – auch solche in Stuttgart, die dann der S-21-Finanzierung dienten – doch zur Deutschen Bahn AG gelangten.)
2 Kommentare verfügbar
Statistiker
am 15.08.2013Alle böse, nur der arne deutsche Ex-Vorstand ist toll.... Na, so kann man auch vom Versagen ablenken. Geht Hochtief irgendwann pleite, sind die pösen Spanier schuld, geht…