Dies ist auch die Geschichte des Black-Panther-Mitglieds Bobby Seale, der 1969 vor Gericht an einen Stuhl gefesselt und geknebelt wird, weil er darauf bestanden hat, von seinem Anwalt vertreten zu werden. Ein Vorfall, den schon zwei Jahre später sowohl Peter Watkins in seiner Polit-Science-Fiction "Punishment Park" als auch Woody Allen in seiner anarchischen Satire "Bananas" auf je eigene Art aufgreifen. Aber Aaron Sorkins "The Trial of the Chicago 7" ist letztlich doch kein Bobby-Seale-Film: So wie der Richter Julius Hoffman (Frank Langella) Seales Verfahren schließlich von dem der anderen Angeklagten abtrennt, so koppelt auch Sorkin dessen Fall ab von seiner Rekonstruktion eines Prozesses, der in die US-Historie einging. Der Regisseur nennt ja schon in seinem Titel die Zahl Sieben und eben nicht die Bobby Seale mitrechnende Acht, die in anderen Versionen dieses schon mehrfach verfilmten Prozesses firmiert.
Sieben Weiße also, die während eines Parteitags der Demokraten an Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg beteiligt waren und nun wegen Aufstachelung zur Gewalt und Verschwörung vor Gericht stehen. Sorkin ist sich bewusst, dass er das Thema Rassismus nur angespielt hat, er weiß aber auch, dass er seinem ohnehin zum Bersten vollen Drama nicht noch mehr aufbürden kann. Er versucht auch gar nicht erst, seine Entscheidung zu verbrämen, er geht offen mit ihr um und lässt Bobby Seale (Yahya Abdul-Mateen II) in einer Verhandlungspause sagen, sein Fall habe tatsächlich einen anderen Hintergrund. Wenn Aktivisten der Studentenorganisation SDS (Students for a Democratic Society) wie Tom Hayden (Eddie Redmayne) und Rennie Davis (Alex Sharp) oder Yippies (Anhänger der Youth International Party YIP) wie Abbie Hoffman (Sacha Baron Cohen, bekannt als Borat) und Jerry Rubin (John Carrol Lynch) rebellierten, dann sei das im Grunde eine Rebellion gegen deren Väter. Seine Motivation dagegen seien Bilder von einem Ast und einem Strick.
"The Trial of the Chicago 7" beginnt mit einer Collage aus TV- und Doku-Schnipseln, welche die Politik und das emotionale Klima der späten sechziger Jahre evozieren. Johnson ist noch Präsident, in Vietnam wird Napalm eingesetzt, Soldaten laden mit US-Flagge dekorierte Särge aus heimkehrenden Flugzeugen, Martin Luther King und Robert Kennedy werden erschossen, Demonstranten rufen im Chor: "The whole world is watching!". Und was da jetzt in Chicago bei den tagelangen Demonstrationen passiert, das führt den berühmten Nachrichtensprecher und Anchorman Walter Cronkite dazu, die Stadt als Polizeistaat zu bezeichnen. Muss man extra erwähnen, dass dieser Film zwar von einem historischen Ereignis erzählt, dass er dieses Ereignis aber nicht als erledigt betrachtet? Dass der Zuschauer also immer Parallelen zur brodelnden Gegenwart zieht?
Glänzend besetzter Genrefilm
Sorkin führt seine Protagonisten kurz ein, darunter auch den jungen Ankläger (Joseph Gordon-Levitt), der sich eigentlich an das Gesetz halten will, aber von Vorgesetzten deutlich darauf hingewiesen wird, was man von ihm erwartet: strenge Urteile. Dies ist von vornherein ein politischer Prozess. Inzwischen ist Richard Nixon Präsident geworden, die unter der Vorgängerregierung verworfene Anklage wird wiederaufgenommen, das Establishment will seine Kritiker bestrafen – und wie es dabei vorgeht, das rekonstruiert der Regisseur nun vorwiegend im holzgetäfelten und so seriös wirkenden Gerichtssaal. "The Trial of the Chicago 7" wird zu einem glänzend besetzten Genrefilm, einem Courtroom-Drama mit prägnanten Dialogen, welches die schon in seiner Form angelegte Spannung ausreizt und sich in aufrechte Empörung hineinsteigert.
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