Sommermärchen? Von wegen
In den nächsten Tagen wird das Ding mit der Bandenwerbung verhandelt. Dann steht auch die Gemeinnützigkeit für 2014 und 2015 auf der Kippe. Das wären dann minus 30 Millionen. Es gehört zur Etikette, dass ich an dieser Stelle anmerke: Solange das Verfahren läuft, gilt die Schuldvermutung. Du solltest an dieser Stelle besser nicht ausrechnen, wie viele Umkleidekabinen man hätte renovieren können und wie viele Jugendtrainerinnen und -trainer mehr man hätte bezahlen können. Darum hat der DFB auch einen Befangenheitsantrag gegen die Richterin gestellt. Praktisch Akt der Verzweiflung.
Aber jetzt sage ich dir was: An sich halte ich den DFB für einen grundseriösen Sportverband. Bis auf Kleinigkeiten gut geführt. Ein feines Vorbild für die Jugend sind diese Damen und Herren Funktionäre in Frankfurt und in den Landesverbänden. Nur das Beste für den Fußball im Sinn. Jetzt ehrlich: Mit dem DFB solltest du wirklich nicht so hart ins Gericht gehen – zumindest nicht, bevor du die Story vom DVMF gehört hast, dem Deutschen Verband Moderner Fünfkampf. Du weißt schon: Laufen, Fechten, Schießen, Schwimmen und Reiten. Entschuldigung, neuerdings Hindernislauf statt Reiten – und das aus Gründen.
Vielleicht erinnerst du dich an die vorletzte Olympiade und die Sache mit dem zugelosten Pferd von Tokio. Wie die deutsche Goldmedaillenfavoritin auf den Gaul geschlagen hat, weil er nicht vor und nicht zurück wollte. Da haben sich manche gefragt, in wen sie sich jetzt mehr hineinfühlen sollen: in das geschlagene Pferd oder die bockige Reiterin. Schließlich konnte sich niemand vorstellen, dass das arme Tier in seinem Leben je zuvor über ein Hindernis gesprungen ist. Dabei hat die halbe Welt live zugeschaut. Hinterher haben sich die Leute darauf geeinigt, dass derjenige geschlagen gehört, der diesen Sport erfunden hat. Denn der Moderne Fünfkampf hat danach vom Olympischen Komitee kräftig Druck bekommen wegen Tierquälerei.
Es war ja nicht das erste Mal, dass es Ärger gibt, wenn so einem bedauernswerten Tier ein selbsternannter Gold-Athlet auf den Rücken drauf gelost wird. Darum musst du neuerdings selber springen als Moderner Fünfkämpfer – über einen Hindernisparcours, den du dir vorstellen kannst wie bei Ninja Warriors. Sporthistorisch gesehen passt das sogar. Der Fünfkampf wurde schließlich vom Olympia-Wiederbeleber Pierre de Coubertin persönlich erfunden. Damit die Leute fit werden fürs Militär. Kurz danach begann der Erste Weltkrieg. Da könnest du schon auf die Idee kommen, der Moderne Fünfkampf wäre immer noch zeitgemäß.
Wenn man Notverbände braucht
Aber jetzt kommt's erst. Was der Reitskandal nicht geschafft hat, schafft der DVMF nämlich ganz allein. Der Verband richtet gerade seinen eigenen Sport zugrunde, und zwar gründlich. Die Damen und Herren Funktionäre streiten sich dermaßen, dass sie auf ihren Versammlungen bald mit Säbeln aufeinander losgehen. Erst hab ich gedacht, das sei ein Vermarktungstrick. Um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Praktisch Verbandsintrigen in Serie. Das klickt gut und gibt Einschaltquote. Könnte man sogar eine Daily Soap draus machen. Abteilung True Crime.
Der Fünfkampf zählt schließlich zu den Sportarten, die sonst nur alle vier Jahre auffällig werden – und das auch nur, wenn du ein olympischer Medaillenzähler bist und überlegst, woher die Deutschen jetzt noch eine Goldene holen könnten. Weil es dir schlagartig besser geht, wenn die große Sportnation mit neun statt sieben Goldenen nach Hause fährt. Aber da hab ich falsch gedacht. 5K-Crime ist real. Die gehen wirklich so miteinander um. Das kannst du keinem erzählen.
Neulich war Fünfkämpfer-Friedensgipfel angesetzt, sprich: außerordentliche Mitgliederversammlung. Da wurde sogar ein nagelneuer Doppelvorstand gewählt. Aber selbst danach keine Ruhe im Karton. Jetzt will schon wieder einer zum Gericht marschieren, alles ungültig machen – und damit den zweiten Notvorstand innerhalb eines Jahres provozieren. Wenn das passiert, wär's allerdings vorbei mit der Daily Soap, zumindest mit der ersten Staffel. Weil: Dieser zweite Notvorstand müsste den Verband abwickeln. Also Ende Geländeübung. Und dabei habe ich noch gar nicht erzählt, dass einige Landesverbände dringend verdächtigt werden, Mitglieder und Aktive zu erfinden. Sozusagen astreine Phantomsportler. Theoretisch ein perfektes Verbrechen, weil die Verbände dadurch mehr Stimmrechte und mehr Fördermittel kriegen. Darauf musst du erstmal kommen.
Wie Sportarten verschwinden
Jetzt mal radikal gedacht: Eine Welt ohne Modernen Fünfkampf – würde dir was fehlen? Nehmen wir zum Beispiel Skiballett. Ausgestorben. Vielleicht erinnerst du dich. Zum Beispiel an Suzy Chaffee, diese hingebungsvolle Ski-Esoterikerin. Oder an Alan Schoenberer, der Mann aus Gummi mit Stöckchen in der Hand. Seine Bergski-betonte Kür zu Bachs Menuett in G-Moll. Uraufgeführt bei der Saisoneröffnung 1975 in Vermont. Mehr Skiballett hat die Welt nicht gebraucht.
Dass es ein Segen sein kann, wenn eine Disziplin ausgedient hat, lernst du beim Spaziergang über den Friedhof der ausgestorbenen Sportarten. Der besteht im Wesentlichen aus drei Abteilungen. Grausamkeit, Gefahr und Lächerlichkeit. Abteilung 1: Grausamkeit. Daran gestorben sind Sportarten, die nicht unbedingt das Tierwohl im Blick hatten. Zum Beispiel Aalziehen, Schweinestechen, Katzenkopfstoßen oder Fuchsprellen. Derlei Unfug wurde in besseren Kreisen als Entertainment vor dem Abendessen veranstaltet. Dort liegt auch das legendäre Goldfischschlucken. Gestorben und gegessen.
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