Vielleicht erinnerst du dich an den großen Philosophen aus der Darmstädter Schule, der vor 15 Jahren feststellte, dass es die bösen Medien sind, die die Dinge "hochsterilisieren". Dich an Bruno Labbadia zu entsinnen, kann dir in diesen Tagen durchaus helfen. Zum Beispiel wenn du mit den frischen Befunden des brasilianischen Erkenntnistheoretikers Victor Boniface konfrontiert wirst. Den kennst du vielleicht, das ist der Kleiderschrank, der neuerdings für Werder stürmt. O-Ton Boniface, neulich auf Insta: "Das Leben ist wie ein Schuh. Du kannst keine Kuh trinken, weil die Erde keine Karotte ist." Nicht, dass du denkst, der Boniface sei ein herkömmlicher Netz-Schwurbler. Dann würde er ja "Denk mal drüber nach" drunter schreiben. Tut er aber nicht.

Boniface definitiv andere Liga. Der denkt eben über alle Seitenlinien hinaus. So hat er – ebenfalls auf Insta – seinen Freunden einen bemerkenswerten Ratschlag gegeben. Das musst du dich erstmal trauen. Der Boniface hat nämlich seinen männlichen Followern geraten, keinesfalls mehr als zwei Frauen zu haben. Sonst, so Boniface, könnte es sein, dass es die Freunde im Leben zu nichts bringen. Ob das noch Dadaismus ist oder schon dackelhaft, da bin ich mir selbst nicht sicher. Im Sinne von Franz Beckenbauer könnte man jedenfalls sagen: Der Boniface ist keine Beauvoir, das hat man genau gesehen.
Aber lass mich diese heikle Zone bitte vermeiden und stattdessen zu einem anderen Kicker scrollen, nämlich zum gläubigen Bundesligaprofi Felix Nmecha. Er teilt schon mal Posts des amerikanischen Intoleranz-Apostels Matt Walsh – und wundert sich dann, warum er bei den BVB-Fans unten durch ist. Außerdem fällt auf, dass der Nmecha selten an Todesfällen Anteil nimmt. Zumindest öffentlich. Außer bei Charlie Kirk. Dessen Tod war ihm einen Kondolenz-Post wert. Ich für meinen Teil bin beim Nmecha mit der Interpretation schnell fertig.
Neue Züricher Phantomsorgen
Du kannst mir jetzt natürlich vorhalten: Boniface und Nmecha in eine Pfanne zu schlagen – das sei aber grob unsportlich. Zu meiner Verteidigung sei mir der folgende Hinweis gestattet: Die Idee stammt nicht von mir, sondern von der traditionsrechten "Neuen Zürcher Zeitung" (NZZ). Die hat neulich ein Thema hochsterilisiert, das überhaupt keins ist – und zwar nach allen Regeln des neurechten Alarmismus. Der besorgte Berichterstatter Stefan Osterhaus diskutiert dort allen Ernstes, ob die Meinungsfreiheit von Bundesligaspielern gefährdet wäre. Weil nämlich, so Osterhaus, die Chefetagen von Werder und dem BVB hergegangen seien, und mit ihren Profis darüber gesprochen hätten, was sie so posten, wenn sie nichts Besseres zu tun haben. Ich finde, da können wir den Zürcher Hofberichterstatter beruhigen. Der sollte schleunigst chillen und erstmal durchatmen – und dann gleich nochmal durchatmen. Und zwar so lange, bis er merkt, dass es völlig normal ist, wenn Sportskameraden mal ein paar Dinge besprechen, die nichts mit Fußball zu tun haben. Falls die Werder-Kollegen also tatsächlich gecheckt hätten, wie gut die Übersetzungs-App des Sportskameraden Boniface funktioniert: Na und – kann man doch fragen, oder? Falls der Dortmunder Entertainmentbetrieb dem Nmecha tatsächlich vorgelesen hat, was in der BVB-Philosophie zum Thema Toleranz drinsteht: Na und – kann man sich doch drüber unterhalten, oder? Miteinander sprechen ist nie verkehrt! Wer sich daraus einen Aufreger wegen bedrohter Meinungsfreiheit bastelt, könnte sich ebenso über eine eventuelle Freiheitsberaubung von Ersatzspielern aufregen, weil manche von denen 90 Minuten auf der Bank sitzen bleiben müssen.
Wenn's um das Thema Meinungsfreiheit geht, soll die NZZ bitte hübsch vor den Züricher Haustüren kehren. Zum Beispiel oben in der Halbhöhenlage vor einem abgeriegelten Gebäude, in dem Wasser aus goldenen Wasserhähnen über dreckige Hände rieselt. Dort residiert die FIFA-Mafia, eine weltweit operierende Betrügerbande. Die hat man zwar schon häufig erwischt, meistens wegen Korruption. Aber richtig drangekriegt haben sie halt nur die kleinen Fische. Deshalb solltest du vor denen aufpassen. Du solltest ihre Pläne kennen, bevor du das nächste Mal ins Stadion gehst. Wenn du nämlich das, was ich oben geschrieben habe, also "FIFA-Mafia", auf der Tribüne auf ein Transparent schreibst und hochhältst, fliegst du raus. Dauert nicht mehr lange, dann drohen dir empfindliche Strafen wegen sowas. Weil die FIFA hat den Disziplinarcode überarbeitet – und der gilt bald in allen Ligen, bis runter zu den Bambini. Wo das Problem ist? Halt dich fest: Das versteckt sich in einem Absatz, der eigentlich dazu gedacht ist, Diskriminierungen und rassistische Beleidigungen zu verhindern.
Jetzt neu unter den diskriminierten Minderheiten
Denn dort kommt raus, um wen sich die FIFA besonders sorgt: um Milliardäre und andere Wohlstandsverwöhnte. Endlich schreibt's mal einer, dass auch diese Minderheit geschützt gehört. In Artikel 15 des neuen Diszi-Code steht wortwörtlich drin: Keine und keiner darf diskriminiert werden wegen Rasse, Hautfarbe, ethnischer Zugehörigkeit, Nationalität, sozialer Herkunft, Geschlecht, Behinderung, sexueller Orientierung, Sprache oder Religion. (So weit, so gut.) Und dann fügt die FIFA explizit hinzu: Auch nicht wegen politischer oder sonstiger Anschauungen, Vermögen oder Reichtum.
Dementsprechend überleg's dir bitte vorher, bevor du dein nächstes Protest-Transpi schreibst. Denn die Mafia kümmert sich um ihre Gönner, Milliardäre und die befreundeten Autokraten. Und weil die Brüder auf Nummer sicher gehen, haben sie die Diskriminierung wegen "politischer und sonstiger Anschauungen" zusätzlich unter Strafe gestellt. Alter Verwalter! Mit dieser schwammigen Formulierung könnte Präsident Infantino in Zukunft jede Meinung, die ihm nicht passt, sofort zensieren. Und ich sag dir: An der Stelle verstehe ich schon, dass sich die Leute Gedanken machen, ob das noch unter Meinungsfreiheit läuft.
Jetzt könntest du natürlich mit Labbadia argumentieren, ich solle mal chillen, statt jede versteckte Formulierung zu einem Skandal hochzusterilisieren. Schließlich leben wir nach deutschem Recht und nicht nach Neuer Zürcher Gesetzgebung. Stimmt schon, aber weißt du was? Das Problem mit der FIFA gibt's ja nicht erst seit gestern. Und falls du dir irgendwann mal überlegt hast, wie es mit dem angeblichen Fußballverband weitergeht, ist noch jedesmal die schlechteste deiner Prognosen eingetroffen. Wahrscheinlich wird es dann auf der ganzen Welt nur noch einen geben, der ungestraft sagen kann, was er denkt: Victor Boniface. Und damit du etwas zu knabbern hast, gebe ich dir seine neueste Erkenntnis mit auf den Weg. Sie lautet: "Selbst wenn der Regen seinen Schirm vergisst, können Fische nicht Fahrrad fahren, allein schon weil der Mond und das Brot nicht am selben WLAN hängen."
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