KONTEXT:Wochenzeitung
KONTEXT:Wochenzeitung

VfB Stuttgart

Foul am König

VfB Stuttgart: Foul am König
|

Datum:

Passend zur taufrischen Sportkolumne in Kontext hat es der VfB geschafft: Endlich hat der Verein seinen beknackten alten Slogan eingemottet und durch einen anderen mittelguten ersetzt. Zwar "keine Meisterschale voller überbordender Kreativität", meint unser Kolumnist. "Aber er passt halt." Auch zu neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Gute Ratschläge am Beginn einer neuen Kolumne: Achte darauf, alle mitzunehmen. Lasse niemanden zurück. Mach jeder und jedem ein Angebot. Denk auch an die Minderheiten, also zum Beispiel die bürgerliche Mitte, die Heterosexuellen und Normalbegabten. Begeistere mit deiner neuen Sportkolumne auch die sportfernen Personen. Gerade diese Leute sollst du umarmen. Also all diejenigen, die nicht mal vom Sofa aus zusehen wollen, wie Ausnahmetalente utopische Rekorde brechen, ihre eigenen Grenzen verschieben oder einfach einem Ball hinterherlaufen. Danke dafür. Samt und sonders konstruktive Tipps. Daran will ich mich messen lassen.

Das ganze Leben ist ein Spiel

Tatsächlich sollte man gerade auf die notorischen Sportmuffel Rücksicht nehmen, die sind nämlich arm dran – oder mindestens weniger glücklich. Das hat neulich eine Studie ausgewürfelt, die von der Süddeutsche Klassenlotterie in Auftrag gegeben wurde. Jetzt halt dich fest: Guckst du regelmäßig Fußball, bist du glücklicher. Fußball-Fans haben eine starke 7,0 auf der Lebenszufriedenheitsskala von 0 bis 10 bekommen. Fußballmuffel verkümmern bei einem Wert von 6,4. Sogar deine Liebe wird vom Fußballgucken beflügelt. Echt jetzt. Weil du die Zusammengehörigkeit fühlst. Das steht da drin in der Studie. Was leider nicht drin steht: ob das auch für Fans des wunderbaren VfB Stuttgart gilt.

Vermutlich, weil du bei deiner VfB-Liebe ordentlich was aushalten musst. Hier die Liste der Zumutungen, jetzt nur mal aus dem letzten Monat: Woltemade weg. Undav verletzt. Dafür Vagnoman noch da. Und der Karazor, was ist denn in den gefahren? Fehlstart gegen Union. Neulich sogar gegen Baden verloren. Und der Hoeneß, der uns aus "all der Sch…" herausgeholt und endlich wieder auf die Reise geschickt hat (Europapokaaaal!), der soll sich gefälligst auch hinterfragen.

Zugegeben, das war jetzt Insider-Gebruddel aus dem Meckerstadion. Zusatzinformation für fußballferne Menschen: Als VfB-Fan erkennst du besser, was schiefläuft. Du bist ja schon lange genug dabei. Brustring im Herzen und so. Du kennst die Tradition. Selbstverständlich wärst du der bessere Trainer (Manager, Torwart, Platzwart …). Wer soll sonst wissen, wohin der Hase läuft auf dem Rasen, wenn nicht du? Leider meistens dorthin, wo der Führich gerade die Kugel verstolpert. Das weißt du als VfB-Fan schon vorher. Darum Lebenszufriedenheit nur 7 von 10 Punkten. Maximal. Da muss man der Studie schon recht geben.

Sag nicht Fan zu mir

Das sind ja auch die Gründe, warum es viele nicht mögen, als Fan bezeichnet zu werden. Weil: Es gibt ja solche und solche. Und auch solche Besserwisser, mit denen du besser nicht in einen Topf geworfen werden willst – also die, die sich nebenher bereits als Bundestrainer qualifiziert haben, damals, als Not am Mann war, als Corona-Koryphäen auftraten und jetzt, nachdem sie verrentet wurden, ehrenamtlich die Sprachpolizei unterstützen, um Gendersternchen zu verpetzen und andere neuzeitliche Errungenschaften wegzucanceln. Das muss ich zugeben, solche Fans gibt’s halt nunmal. Diese Universalexperten (absichtlich nicht gegendert) leiden aktuell unter extremem Liebeskummer. Manche benehmen sich heute noch, als würden sie mit ihren Mistgabeln den Württembergischen König verteidigen. Wegen dem alt-württembergischen Motto.

Das kannst du dir kaum vorstellen: Die VfB-Kommunikation hat ihren Slogan "Furchtlos und treu" ausgewechselt. Endlich. Und weil der VfB seine königstreuen Pappenheimer kennt, bestand der weiß-rote Plan ursprünglich darin, den ollen Spruch durch die Hintertür zu verabschieden. Aber das ging schief. Den Traditionswächtern entgeht nichts. Bitte nicht falsch verstehen: Grundsätzlich ist im Fußball-Zusammenhang gegen Tradition nichts einzuwenden. Aber man muss ja nicht ausgerechnet den völkischen Ramsch von damals vor sich hertragen, so militärische Leitsprüche wie "Furchtlos und treu". Nebenbei bemerkt: Das Motto aus Napoleons Zeiten hatte man beim VfB erst vor zehn Jahren eingeführt. So gesehen hat es weniger Tradition als Dosenball Leipzig.

Zurück – oder doch lieber voran?

Damals, also 2014, dachte man beim VfB offenbar, Fans wären Untertanen. Die sollen sich gefälligst treu ergeben und furchtlos spuren. Grad so wie einst, als sie von absolutistischen Herrschern an die Front geschickt wurden. Als wäre Fußball eine andere Form von Krieg. Drum ist der Spruch bei den Nazis aufgetaucht – und später bei einer ultrarechten Schlägertruppe aus der Region. Was schlussendlich dazu geführt hat, dass der VfB eingesehen hat: "Furchtlos und treu" war nicht unbedingt die beste Idee seiner Vereinsgeschichte. Vor allem weil der VfB von 2025 sich wirklich sehen lassen kann: Weiß-rote Inklusion ist selbstverständlich. Frauen im Brustring-Trikot spielen zweite Bundesliga. Vielfalt bei Religion, Herkunft und sexueller Identität steht nicht auf einem staubigen Papier, das nur bei Festreden verlesen wird. Die Vielfalt im Brustring gibt’s tatsächlich! Die Einzigen, die noch meckern, sind halt diejenigen, die irgendwo zwischen erstem und zweitem Reich hängen geblieben sind.

Natürlich kannst du sagen: Der neue Slogan "Zusammen voran" ist nun auch keine Meisterschale voller überbordender Kreativität. Aber er passt halt. Sogar die Ultras singen seit Jahren, vom "Kollektiv, das hier die Macht hat". Und weißt du was: Wenn dann die alten Königstreuen meckern, "Zusammen voran", das höre sich an, als hätten es die Linken erfunden, dann gefällt er mir plötzlich ganz gut, der neue Slogan. Außerdem: Niemand Geringeres als die Süddeutsche Klassenlotterie hat wissenschaftlich bestätigt, dass gemeinsames Fußballgucken Liebe und Zusammenhalt verstärkt. Da passt doch "Zusammen voran" bestens. Das find' ich jedenfalls – als ausgewürfelter Marketing-Experte. Apropos: Falls du mal hörst, dass der VfB einen Manager, Pressesprecher, Trainer und Platzwart braucht, dann sag mir Bescheid. Ich kann jederzeit einspringen.

Wir brauchen Sie!

Kontext steht seit 2011 für kritischen und vor allem unabhängigen Journalismus – damit sind wir eines der ältesten werbefreien und gemeinnützigen Non-Profit-Medien in Deutschland. Unsere Redaktion lebt maßgeblich von Spenden und freiwilliger finanzieller Unterstützung unserer Community. Wir wollen keine Paywall oder sonst ein Modell der bezahlten Mitgliedschaft, stattdessen gibt es jeden Mittwoch eine neue Ausgabe unserer Zeitung frei im Netz zu lesen. Weil wir unabhängigen Journalismus für ein wichtiges demokratisches Gut halten, das allen Menschen gleichermaßen zugänglich sein sollte – auch denen, die nur wenig Geld zur Verfügung haben. Eine solidarische Finanzierung unserer Arbeit ermöglichen derzeit 2.500 Spender:innen, die uns regelmäßig unterstützen. Wir laden Sie herzlich ein, dazuzugehören! Schon mit 10 Euro im Monat sind Sie dabei. Gerne können Sie auch einmalig spenden.


Gefällt Ihnen dieser Artikel?
Unterstützen Sie KONTEXT!
KONTEXT unterstützen!

Verbreiten Sie unseren Artikel
Artikel drucken


0 Kommentare verfügbar

Schreiben Sie den ersten Kommentar!

Kommentare anzeigen  

Neuen Kommentar schreiben

KONTEXT per E-Mail

Durch diese Anmeldung erhalten Sie regelmäßig immer Mittwoch morgens unsere neueste Ausgabe unkompliziert per E-Mail.

Letzte Kommentare:






Die KONTEXT:Wochenzeitung lebt vor allem von den kleinen und großen Spenden ihrer Leserinnen und Leser.
Unterstützen Sie KONTEXT jetzt!