Angesichts zu vieler Einzelfälle fragte eine Autorin des Portals "Belltower News" im vergangenen März: "Wie sollen rechtsextreme Behörden uns schützen?" Konkreter Anlass für die Frage war eine Gruppe von AfD-Sympathisant:innen innerhalb des Verfassungsschutzes, die sich selbst das "Dreckige Dutzend" nannten, bei klandestinen Treffen zusammenkamen und angestellt als "Spezialisten in der Früherkennung und Überwachung extremistischer Gruppierungen" Zugang zu Verschlusssachen hatten. Eingegangen wird in dem Artikel aber auch auf einen AfD-nahen Spion, der im Dezember 2022 aufgeflogen ist und "den Bundesnachrichtendienst auf höchster Sicherheitsstufe für den russischen Geheimdienst FSB ausspioniert haben soll". Der Mann habe sich zuvor im Rahmen einer routinemäßigen Sicherheitsüberprüfung als "sehr national" beschrieben – aber das ist anscheinend kein Anlass, genauer hinzuschauen. Da stört dann auch die im Dienst getätigte Aussage nicht weiter, dass Flüchtlinge standrechtlich erschossen gehören. Zuvor war der Spitzel bei der Bundeswehr, wo er einmal unter Rechtsextremismusverdacht geriet. Doch die Nachforschungen wurden ergebnislos eingestellt.
Die Liste an Beispielen, in denen der Staat entweder sehr nachsichtig mit erwiesenem Rechtsextremismus umgeht oder diesen trotz eindeutiger Indizien übersieht, ließe sich beinahe beliebig erweitern. Tatsächlich ist es ein Arbeitsschwerpunkt von "Belltower News", einem Angebot der Amadeu Antonio Stiftung, diese Umtriebe zu dokumentieren. Naheliegenderweise katapultiert das den Beliebtheitsgrad unter Neonazis nicht gerade in die Stratosphäre. Umso verstörender, dass das Medium die sehr lange Liste von Gründen, deutschen Behörden zu misstrauen, nun um einen Fall in eigener Sache erweitern muss.
So hat der Journalist und Kontext-Autor Timo Büchner, Spezialist für Rechtsextremismus und Antisemitismus, bei den Meldebehörden eigentlich eine Auskunftssperre für seine Wohnanschrift erwirkt. Voraussetzung dafür ist eine "Gefahr für Leben, Gesundheit und persönliche Freiheit", die droht, wenn private Informationen in die falschen Hände geraten. Unter anderem wegen seiner Tätigkeit für "Belltower News" und die Amadeu Antonio Stiftung wurde Büchners Adresse gesperrt. Seine Daten dürfen nicht an Dritte weitergegeben werden und erst recht nicht an einen bekanntermaßen gewaltbereiten Neonazi. Genau das ist aber geschehen – und wieder einmal sind die Konsequenzen erschreckend mild.
Der Beamte verortet sich als politisch neutral
Zur Vorgeschichte: Büchner berichtete im März 2021 auf "Belltower News" über eine Razzia gegen "Nord Württemberg Sturm", einen regionalen Ableger der rechtsextremen Gruppierung "Junge Revolution" (JR). Als einer der führenden Köpfe wird Marc R. aus dem Neckar-Odenwald-Kreis benannt, Kampfsportler und umtriebig in der Hooligan-Szene des 1. FC Schweinfurt. "In den vergangenen Monaten hat R. an sämtlichen Aktivitäten der JR teilgenommen", schrieb Büchner: "Er ging Wandern, besuchte Wehrsportcamps in Thüringen und in der Schweiz und nahm am 31. Oktober 2020 an einem internen Umstrukturierungstreffen der JR in Eisenach (Thüringen) teil. Mehrere Fotos, die über die Social-Media-Accounts der Neonazis verbreitet wurden, zeigen R. gemeinsam mit dem Gitarristen der rechten Black Metal-Band 'Eishammer'." Nach Kontext-Informationen nahm er zudem unter dem Spitznamen "Rohri" an dem Dortmunder Kampfsport-Event "Pure Violence" teil, bei dem Kämpfer wiederholt durch Kontakte in die rechtsextreme Szene aufgefallen sind.
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