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Inna Zhvanetskaya

Die verschwundene alte Dame

Inna Zhvanetskaya: Die verschwundene alte Dame
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Die 85-jährige Komponistin Inna Zhvanetskaya, eine ukrainische Jüdin, sollte gegen ihren Willen in eine Psychiatrie eingewiesen und geimpft werden. Seitdem "Querdenken"-nahe Medien den Fall aufgegriffen haben, ist die schwerkranke Frau verschwunden – und "Freiheitsaktivisten" freuen sich.

Am vergangenen Montag berichtete mit "Fox News" der meistgesehene Nachrichtenkanal der USA über einen Fall aus Stuttgart: "German court tries to force COVID vaccine on Holocaust survivor (Deutsches Gericht versucht Holocaust-Überlebender Covid-Impfstoff aufzuzwingen)". Auch die "Jerusalem Post", eine konservative Tageszeitung aus Israel, empört sich unter beinahe identischem Titel. Ein Kommentator hat unter den Text "Impfung macht frei", geschrieben. Was um Himmels Willen ist passiert?

Die Jüdin Inna Zhvanetskaya, 1937 im ukrainischen Winnyzja geboren, wohnt im Stadtteil Stuttgart-Feuerbach und ist gesundheitsbedingt auf Pflege angewiesen. Ihre Betreuerin stellte beim Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt einen Antrag, die 85-Jährige in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses oder einer Pflegeeinrichtung unterzubringen. Dabei sollte sie – auch gegen ihren Willen – gegen Covid-19 geimpft werden. Zhvanetskaya wurde im Zuge des Verfahrens von einem Facharzt für Neurologie begutachtet, der ihr Demenz, eine organisch wahnhafte Störung, ein narzisstisches Größenselbstbild und Logorrhoe (krankhafte Geschwätzigkeit) attestierte. Mit Beschluss vom 6. Dezember 2022 genehmigte das Amtsgericht den Antrag auf Unterbringung – und die Einwilligung der Betreuerin in die "ärztliche Zwangsmaßnahme", nach internistischer Prüfung der Impffähigkeit zwei Impfungen zur Grundimmunisierung gegen Covid 19 durchzuführen.

Zuerst berichtete das in Österreich ansässige Portal "Report24" über den Fall. Autor Willi Huber macht klar, wie sich die Berichterstattung dort von den "Mainstream-Medien" unterscheidet – in der eigenen Wahrnehmung zumindest: "Auf der einen Seite steht uneigennützige Menschenliebe, auf der anderen Niedertracht, Korruption und Gier." Am 10. Januar war hier zu lesen: "Morgen wird sie abgeholt: Deutsches Gericht verurteilt Holocaust-Überlebende (85) zu Zwangsimpfung." Im Text dazu ist ein Video mit Zhvanetskaya zu sehen, das die Komponistin mutmaßlich in ihrer Wohnung zeigt: Eine Frau mit langem weißem Haar, die vor einer Bücherwand sitzt. Sie berichtet unter anderem, dass sie ohne ihre Musik sterben würde. "Als Jüdin zählt sie zu den Überlebenden des Holocaust", schreibt "Report24". "Bis zu ihrem achten Lebensjahr mussten sie und ihre Familie davor zittern, ob sie abgeholt, deportiert und möglicherweise ermordet werden." Gegen Ende des Artikels heißt es: "Die Berufsbetreuerin hat Frau Zhvanetskaya mitgeteilt, so unser Wissensstand, dass sie morgen, am 11. Jänner 2023 abgeholt und vermutlich auch zwangsgeimpft werden soll."

Das Who-is-Who der "Querdenker"schaltet sich ein

Die Geschichte verbreitete sich wie ein Lauffeuer. In Telegram-Kanälen empören sich bekannte Figuren der "Querdenken"-Szene: Etwa der Schwindelarzt Bodo Schiffmann, der inzwischen ein Hotel in Tansania betreibt. Oder die Anwältin Beate Bahner, die kürzlich eine Ärztin vor Gericht verteidigte, die in 4247 Fällen falsche Maskenatteste ausgestellt haben soll und sich neben einer Haftstrafe auch ein Berufsverbot einfing. Der Stuttgarter Arzt und Ex-AfDler Heinrich Fiechtner verbreitete, hier solle eine Holocaust-Überlebende weggeschleppt werden, um "dann potenziell tödliche Substanzen in sie hineinzuspritzen".

Fiechtner teilte mit seinen über 20.000 Followern auch den ungeschwärzten Gerichtsbeschluss. Darin steht nicht nur Zhvanetskayas Wohnanschrift, sondern auch die ihrer Betreuerin. Genau wie die Vorsitzende Richterin am Amtsgericht Bad-Cannstatt wird sie seit der Veröffentlichung belästigt und bedroht. Martin Sichert, der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Bundestag, sagt, er habe gegen die beiden Anzeige erstattet, denn: "Niemand sollte gegen seinen Willen zur Teilnahme an einem medizinischen Experiment – egal welcher Art, auch nicht der Corona-Gentherapie – gezwungen werden."

Alexander Wallasch, der früher regelmäßig Texte für taz, "Süddeutsche" und die "Zeit" verfasste, später bei "Tichys Einblick" kolumnierte und heute auf seinem Blog "noch unzensierter, schärfer, freier" schreibt, führte ein ausführliches Gespräch mit dem Anwalt Holger Fischer. Dieser sagt, dass Zhvanetskaya ihn als anwaltlichen Bevollmächtigten beauftragt hat: "Man kann das sogar als dementer Mensch. Man kann sogar, wenn man vergessen hat, dass man schon einen Anwalt hat, noch einen Anwalt beauftragen und noch einen." Einen Teilerfolg hatte Fischer mit einem Eilantrag beim Stuttgarter Landgericht, der die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses aus Cannstatt insgesamt, also inklusive der Unterbringung in einer Psychiatrie, aussetzen sollte.

Als sie abgeholt werden sollte, war die Wohnung leer

Ausgesetzt wurde allerdings nur die Impfung. Ob die "ärztliche Zwangsmaßnahme" einer Corona-Impfung im vorliegenden Fall nun legitim wäre oder nicht, ist dadurch nicht geklärt. Es heißt erst einmal nur, dass das Landgericht den Erfolg der Beschwerde nicht für ausgeschlossen hält. Die Einweisung der Frau in eine geschlossene Unterbringung wurde hingegen nicht ausgesetzt und eigentlich hätte die 85-Jährige am 11. Januar unter Begleitung der Polizei zuhause abgeholt werden sollen.

Im Beschluss des Amtsgerichts Bad-Cannstatt heißt es dazu: Die "Zuführung zur Unterbringung" dürfe "erforderlichenfalls [mit] Gewalt" erfolgen, und die "Wohnung der Betroffenen" dürfe "auch ohne ihre Einwilligung […] gewaltsam geöffnet, betreten und durchsucht werden". In der Begründung führt das Gericht aus: "Die Betroffene muss geschlossen untergebracht werden, weil sie massiv verwahrlosen würde und ihre dringend notwendige ärztliche Versorgung, auch der organischen Erkrankungen sowie eine regelmäßige Tabletteneinnahme nicht gewährleistet ist." Durch ihre geistige Behinderung fehle ihr "jegliche Alltagskompetenz", sie bedürfe "ärztlicher Behandlung, die derzeit ohne geschlossene Unterbringung nicht geschehen kann". Die Betroffene besuche, "da sie krankheitsbedingt den Überblick verloren hat, verschiedene Ärzte, die ihr sich teils widersprechende Medikamente verschreiben." Neben Adipositas leide Zhvanetskaya an heftigen Ödemen, die dringend behandelt werden müssten.

Doch als sie abgeholt werden sollte, war die Wohnung leer. Auf dem Portal "Reitschuster" ist am gleichen Tag zu lesen: "Die Dame konnte an einem geheimen Ort in Sicherheit gebracht werden", denn "offenbar sind die Freiheits-Aktivisten der Polizei zuvorgekommen". Allerdings dürfe "schon jetzt als sicher gelten, dass die Staatsgewalt bei der Suche nach Zhvanetskaya – anders als in anderen Fällen – weder Kosten noch Mühen scheuen wird."

Die Polizei sucht aber gar nicht

Gleich zwei Sprecher:innen der Stuttgarter Polizei erklären auf Kontext-Anfrage hingegen, dass die Beamten beim gescheiterten Versuch, Zhvanetskaya abzuholen, nur aus Amtshilfe tätig geworden seien. Aktuell gebe es keinen Auftrag für die Polizei, ihren Aufenthaltsort zu klären und entsprechend fänden ihrerseits keine Suchaktionen statt.

In ihre Wohnung ist die schwerkranke Seniorin offenbar nicht zurückgekehrt. Eine Nachbarin erklärte am vergangenen Montag gegenüber der Redaktion, sie habe seit dem 10. Januar nichts mehr von Zhvanetskaya gehört. Auch der Rollator fehle, der normalerweise vor der Wohnungstür im Treppenhaus stehe und ohne den die 85-Jährige nicht mehr weit komme. Die Nachbarin berichtet auch, dass sich die Demenzkranke zuletzt häufig ausgesperrt habe und alle zwei Wochen die Feuerwehr anrücken musste, weil die Frau vergessen habe, den Herd auszumachen.

Zhvanetskaya sei "auf der Flucht", meldet derweil "Report24" und berichtet: "In Deutschland werden im Jahr 2023 wieder Juden vom Staat verfolgt, abgeholt und medizinischen Zwangsbehandlungen zugeführt.” Auf dem Portal bezweifeln "medizinische Fachleute", offenbar per Ferndiagnose anhand des Videos mit Zhvanetskaya, die Befunde des psychiatrischen Gutachtens, die angeblich interessengeleitet seien.

Bei "Report24" meldet sich eine Insiderin zu Wort

In Berichten hatten "t-online" und der "Zeitungsverlag Waiblingen" gemutmaßt, das Untertauchen der dringend behandlungsbedürftigen Seniorin könnte mit Risiken für ihre Gesundheit verbunden sein. Willi Huber von "Report24" dagegen versichert: "Inna ist aktuell gut untergebracht und gut versorgt." Und weiter: "Natürlich ist sie nicht so glücklich, wie man als 85-Jährige sein könnte, denn sie vermisst ihre vertraute Umgebung und sicherlich auch ihr geliebtes Klavier."

Über genauere Insiderinformationen scheint die "im deutschen Widerstand gegen den Corona-Wahn aktive Jüdin" Mascha Orel zu verfügen, eine ehemalige IT-Beraterin einer Frankfurter Anwaltskanzlei. Sie hatte sich an die "Report24"-Redaktion gewandt, und sagt, Zhvanetskaya habe vor ihrer Flucht noch eine letzte Komposition gespielt. "Das kleine Stück", schreibt Orel, "ist Florian Machl gewidmet, dem Reporter von Report24, der auf meinen Hilferuf am vergangenen Freitag sofort reagiert und am Wochenende die Anfrage ans Gericht verschickt hatte." Beinahe hört sich das an, als wäre Orel in Zhvanetskayas Wohnung gewesen, denn weiter heißt es: "Im nächsten Augenblick klingelte es an der Tür. Der Pflegedienst kam völlig unerwartet und forderte, dass Inna Zhvanetskaya die Arbeitseinsätze des Pflegedienstes final unterschreibt, da es keine weiteren wegen der Abholung am nächsten Tag geben werde."

Orel ist Mitbegründerin von "We for Humanity", in den eigenen Worten "eine internationale humanitäre Vereinigung von Überlebenden des Holocaust und ihren Nachkommen sowie von Menschen des guten Willen, die unser Streben nach einem Leben in Freiheit, Selbstbestimmung, Würde und Wahrhaftigkeit teilen". Am 25. August 2021 übergab die Organisation der Europäischen Arzneimittel-Agentur einen offenen Brief, in dem es über die in Anführungszeichen gesetzten Corona-"Impfstoffe" heißt: "Es ist für uns offensichtlich, dass sich vor unseren Augen ein weiterer Holocaust größeren Ausmaßes abspielt." Die Mehrheit der Weltbevölkerung begreife zwar nicht, was hier vor sich geht. "Wir aber wissen es. Wir erinnern uns an den Namen Josef Mengele."


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7 Kommentare verfügbar

  • Rosa Weisser
    am 31.01.2023
    Antworten
    Wenn jemand Medizin studiert hat ist er ein Mediziner. Wenn jemand Jura studiert hat und einen Abschluss hat ist er ein Jurist. Und eine Holocaust Überlebende ist eine Holocaust Überlebende. Desweiteren gibt es den Nürnberger Kodex wonach niemand zur medizinischen Behandlungen jeglicher Art…
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