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Drei Fehler

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Geschafft. Lambrecht ist endlich weg. Natürlich zu Recht. Da sind sich die meisten Akteur:innen der Hauptstadtpresse einig. Und eine ganze Reihe von Parteifreundinnen und -feinden auch. Denn – Sie werden es gehört haben – Christine Lambrecht hat als Verteidigungsministerin "drei Fehler" gemacht: Hubschrauberflug mit ihrem Sohn, 5.000 Helme für die Ukraine, Silvester-Video.

Vergangenen Freitag war die Meldung, Christine Lambrecht werde wohl nun zurücktreten, zum ersten Mal zu hören und lesen. Angefangen hatte das Investigativblatt "Bild", das gute Kontakte in gut informierte Kreise hat. Sofort sprangen die Kolleg:innen drauf. Das gesamte Wochenende überboten sich nicht nur die Leitmedien mit Spekulationen, wer die Nachfolge antritt. Und erklärten uns wiederholt, Lambrecht habe ja drei Fehler gemacht. Außerdem – das scheint im Verteidigungsministerium immer ganz wichtig – sei die Juristin "nie warm mit der Truppe" geworden. Also weg mit ihr.

Gerne wurden Politiker:innen interviewt, die Ratschläge verteilten. Zum Beispiel der ehemalige Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels, SPD, heute Vorsitzender der Gesellschaft für Sicherheitspolitik, die sich gut mit der Rüstungsindustrie versteht. Er hatte von Anfang an Zweifel an der Personalie, erklärte Bartels im "Deutschlandfunk". Jetzt müsse mal jemand ran, "mit dem nötigen Kampfgewicht". Der Grüne Anton Hofreiter, seit einem Besuch in der Ukraine Sicherheits- und Waffenexperte, durfte in "Welt"-TV erläutern, das wichtigste sei, dass der oder die nächste endlich klar zur Ukraine steht, und Deutschland eine Führungsrolle im Krieg übernimmt. Helm ab zum Gebet.

In der Tat, wer solche Koalitionspartner und Parteigenossen hat, braucht keine Feinde. Erst recht nicht, wenn sich dann auch noch drei Fehler anhäufen. Fein, dass andere Minister:innen fehlerfrei sind oder wenn, verzeihliche Fehler begehen.

Bundeskanzler Olaf Scholz, SPD, läuft gleich mit mehreren Skandalen aus früheren Ämtern an den Hacken herum: Aus seiner Hamburger Zeit als 1. Bürgermeister mit dem mehr als aus dem Ruder gelaufenen Polizeieinsatz beim G20-Gipfel sowie dem Cum-Ex-Skandal. Als Finanzminister stand er der Bafin vor, die in den Wirecard-Skandal verwickelt war. Alles egal. Finanzminister Christian Lindner, FDP, hat regelmäßig PR-Videos für die Karlsruher BB-Bank aufgenommen, bei der er einen großzügigen Kredit für eine Immobilie bekommen hat. Halb so wild. Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl, CDU, bezahlt 15.000 Euro, damit nicht weiter gegen ihn ermittelt wird. Normal. Der Maut-Skandal von Andreas Scheuer, CSU, kostet den Steuerzahler bislang schon Millionen (für den Rechtsstreit mit der Mautfirma) und ist noch nicht beendet. Spielte keine Rolle. Armin Laschet, CDU, schusterte als Ministerpräsident von NRW seinem Sohn einen Maskengeschäft zu. Folge: Er wurde Kanzlerkandidat. Aber Christine Lambrecht hat drei Fehler gemacht.

Vielleicht ging's aber gar nicht nur um diese drei Fehler. Sondern darum, dass Lambrecht nicht zu denjenigen gehörte, die ständig sofort und ganz schnell Waffen, Panzer (und demnächst wahrscheinlich Kampfflugzeuge und Kampfschiffe) für die Ukraine fordern. Lambrecht selbst befand in ihrem Abschiedsschreiben, dass die Medien sie allzu sehr aufs Korn genommen hätten. Das ist natürlich überhaupt nicht wahr. "Abgehoben" nennt der RBB-Tagesthemenkommentator Matthias Deiß diese Aussage: Damit täte sie ja so, "als habe es das alles nicht gegeben:" Und na – was kommt dann? Richtig: Hubschrauberflug, Helme, Silvester-Video.


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10 Kommentare verfügbar

  • Christa Glaser
    am 23.01.2023
    Antworten
    Na endlich, auch diese Verteidigungsministerin weggemobbt...Danke für die etwas andere betrachtungsweise als in allen anderen Medien!
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